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Interviews

Tendenzen Gespräch

Prof. Dr. Hans K. Larondelle, Floriad / USA

"Das Verhängnis der modernen Theologie ist ihre Vermischung mit dem Zeitgeist!"

Gespräch mir Prof Dr. Hans K. LaRondelle über die systematische Theologie sowie über die Grpnde, warum die moderne Theologie den Menschen immer weniger Halt in ihrem Leben bietet.

TENDENZEN: Sie sind Professor für "Systematische Thelogie". Was ist das? Gibt es auch eine "unsystematische Theologie"?

Dr.LaRondelle: Die Bibel erhebt den Anspruch, daß alle ihre Schriften von demselben Heiligen Geist inspiriert sind. Daraus folgt, daß die ganze Heilige Schrift eine geistliche Einheit darstellt. Und dies hat zur Folge, daß alle biblischen Autoren denselben Gott und dasselbe Heil beschreiben, wenn auch von verschiedenen Gesichtspunkten und Umständen aus. Hier ist eine innere Struktur zu entdecken, und darum gibt es eine systematische Theologie. Die schwierigste Herausforderung dabei allerdings ist, das genaue Verhältnis bzw. die genauen Beziehungen zwischen dem Alten und dem Neuen Testament zu erkennen und festzustellen. Der wissenschaftlichen Theologie ist es bislang nicht gelungen, hier eine alles zufriedenstellende Übereinstimmung zu finden. Auf diesem Gebiet vollbringt die Adventgemeinde einen wertvollen Dienst. Einen eigenen bescheidenen Anteil hier zu leisten habe ich als meine Lebensaufgabe erkannt und in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Aufsätze und Bücher zu diesem Thema veröffentlicht. Es gibt auch vielleicht eine "unsystematische Theologie", wenn man solche Theologen und kirchliche Dogmen ansieht, die nicht gründlich und systematisch genug die Bibel erkunden. Man entscheidet sich dann mehr für das Alte oder das Neue Testament als das Norminativ für unser heutiges Verhalten und Handeln. Was aber die beiden Testamente in einer wesentlichen Einheit verbindet, ist der Bund Gottes mit seinem Volk Israel. Diesen Kernpunkt hat - nach meinem Dafürhalten - Johannes Calvin am klarsten in seinen Institutiones herausgearbeitet. Meine Kritik an dieser Ausarbeitung beschränkt sich allenfalls auf seine Ausführungen zum Sabbatgebot, weil er für die neutestamentliche Kirche keinen Ruhetag als den Tag des Herrn anerkennt.

TENDENZEN: Sie haben in Ihren jungen Jahren angefangen, Jura zu studieren. Wann und vor allem warum haben Sie sich entschieden, systematische Theologie zu betreiben?

Dr. LaRondelle: Mit 20 Jahren habe ich Christus kennengelernt, und da ist mir die Theologie im Vergleich zum Studien der Rechtswissenschaften wichtiger geworden. Ich habe mich allerdings mit meiner damaligen adventistischen theologischen Erziehung nicht zufrieden gegeben und studierte an der Amsterdamer Freien Universität der Reformierten Kirche unter den Professoren Dr. G.C. Berkouwer und Dr. N. Ridderbos weiter. Bei ihnen habe ich sehr viel über systematischen Theologie und Exegese im Bereich des Alten Testaments gelernt. Berkouwer war auch ein Spezialist in der Römisch-Katholischen Theologie. So kann ich heute in allen Kirchen die jeweiligen Grenzen und das provinzielle Denken ihrer Theologie erkennen bzw. auch mein eigenes adventistisches Glaubensgut mit gebotener Nüchternheit und Distanz betrachten.

TENDENZEN: Nicht selten stiften moderne Theologen eher " babylonische Verwirrung", statt Beiträge zur Festigung des Glaubens zu liefern. Warum ist das so? Wo verläuft die Grenze zwischen dem Schaden und dem Nutzen der Theologie?

Dr. LaRondelle: Um im Glauben der Heiligen Schrift gestärkt und gegründet zu werden, muß man zuerst zu den großen Reformatoren gehen, um aus ihrer Geschichte und ihren Schriften zu lernen. Calvins berühmtes Buch Institutiones der christlichen Lehre (1559), ist auch heute noch das wichtigste Lehrbuch für eine systematische Theologie. In den Schriften von Berkouwer, Barth und Brunner finden sich viele weiterführende und bejahende Beiträge zum besseren Verständnis der Heiligen Schrift. Als Adventist nenne ich hier im selben Atemzug auch die Schriften von Ellen G. White (1827-1915), die mein Glaubensleben und meine persönliche Charakterentwicklung (die Bibel nennt es Heiligung) positiv beeinflußt haben. Besonders hilfreich halte ich des weiteren die Studienergebnisse von John N. Andrews, wenn es um das Verständnis des letzten Buches der Bibel geht.
Fast alle modernen Theologen vermischen Zeitgeist und Philosophie mit der biblischen Theologie, und hier nehmen die verhängnisvollen Spekulationen ihren Anfang. Durch sie wird der Heilige Text zergliedert und entkräftet. Nur eine verantwortungsbewußte Exegese der Schrift wird der göttlichen Offenbarung gerecht. Hier liegt die Grenze zwischen biblischer Theologie und spekulativer Theologie, zwischen göttlicher Offenbarung und babylonischer Verwirrung. Man muß unmittelbar zurück an die Quelle der Offenbarung Gottes gehen. Dann und nur dann wird Gottes Wort wieder hörbar und aktuell in einem "kühlen" Kopf und einem "heißen" Herzen.

TENDENZEN: Gemeinhin könnte man annehmen, daß Theologen mehr über Gott wissen und daher gläubiger sind als die Millionen einfacher Gläubigen. Andererseits beklagen manche jungen Pfarrer in den ersten beiden Semestern ihres Theologiestudiums sei ihnen ihr persönlicher Glaube "abhanden" gekommen. Woran liegt das?

Dr. LaRondelle: Wenn man in einer Adventgemeinde aufwächst, sind einem naturgemäß die adventistischen Glaubenslehren sehr wohl bekannt. Man versteht die Heilige Schrift im Kontext der adventistischen Dogmen und/oder Tradition. Das muß nicht unbedingt ein Nachteil sein. Im Theologischen Seminar lernte ich, daß man die Schrift nicht nur dogmatisch lesen und auslegen soll und darf, sondern sie vor allem in ihrem eigenen Kontext verstehen kann und muß. Diese wissenschaftliche Methode ist vielen Gemeindegliedern fremd und wird von ihnen daher mit einem gewissen Mißtrauen betrachtet, weil die akademische Exegese die traditionelle Auslegung in der Gemeinde nicht immer unterstützt. Dies kann bei einigen jungen Studenten zur Glaubenskrisen führen, die man ernst nehmen muß! Sie haben in ihrer Entwicklung der gemeindlichen Lehre oftmals mehr vertraut als der Schrift selber. Vielleicht glaubten sie, daß diese beiden Dinge, Lehre und Schrift, indentisch seien, und die Gemeindelehren wurden zu Säulen ihres Glaubens. Mich wundert es nicht, wenn in den ersten Semestern einigen jungen Studenten ihr bisheriger persönlicher Glaube "abhanden" kommt. Jetzt kommt es darauf an - und das ist die große Verantwortung von uns Lehrern! -, ihnen zu helfen, ein neues Vertrauen in das unmittelbare Wort Gottes in der Heiligen Schrift zu finden, zu gründen und zu festigen.

TENDENZEN: Sie sind sowohl römisch-katholisch als auch protestantisch erzogen worden. Seit vielen Jahrzehnten sind sie ein Siebenten-Tags-Adventist. Was haben Adventisten, was andere nicht haben und was für Sie von entscheidender Bedeutung ist?

Dr. LaRondelle: In der Adventgemeinde habe ich Christus als meinen persönlichen Heiland gefunden. Ferner wurde mir erst hier ein einzigartiges Verständnis für biblische Prophezeiungen zuteil. Daruf kann ich bei meinem persönlichen Bibelstudium fest bauen. Hier muß ich die Bedeutung und das Verständnis für die beiden apokalyptischen Bücher - Daniel im Alten Testament und Offenbarung des Johannes im Neuen Testament - besonders hervorheben, die in ihrer Gesamtheit meines Wissens bislang nur in der Adventgemeinde erkannt, studiert und verkündigt werden. Von entscheidender Bedeutung war für mich die Erkenntnis, daß Gott eine Endzeit-Warnung für die Kirche und die Welt ausspricht, um uns alle auf sein Endgericht vorzubereiten. Die Botschaften der drei Engel aus der Offenbarung Kapitel 14, Verse 6 bis 12 sind in ihrem Kontext die letzte "Elia"-Botschaft für unsere Welt. Aufgrund meiner Erfahrung kann ich feststellen, dies haben im vollen Umfang nur die Adventisten erkannt, und sie erfüllen in ihrem Selbstverständnis einen Sendauftrag Gottes. Das ist das Wesen des Adventismus, zu dem ich mich gerne bekenne. Es ist für alle, die sich für Gottes Wort interessieren, von unschätzbarem Wert, daß von Adventisten in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Wiederbelebung der prophetischen Aussagen in Daniel und Offenbarung (siehe z.B. Daniel Kapitel 12, Vers 4) vorangetrieben wurde.

TENDENZEN: Unsere Welt befindet sich in einem Umbruch. In den Köpfen führender Politiker wird an einer neuen Weltordnung gebastelt. Welche Rolle wird Ihrer Meinung nach der Vatikan und Papst Johannes Paul II. hierbei in den nächsten Jahren spielen? Immerhin hat der bekannte katholische Schweizer Theologe Hans Küng noch 1988 die Meinung vertreten, dieser Papst sei kein Mann der Zukunft.

Dr. LaRondelle: Das ist eine interessante Frage! Wir wollen aber einerseits alle Vorsicht walten lassen und nicht selbst ein Prophet sein wollen. Andererseits gibt die biblische Apokalyptik einen Ausblick auf die Endzeit, die in einem gigantischen Streit zwischen Gott und seinem Volk auf der einen Seite und Satan und den antichristlichen Mächten auf der anderen Seite, ihren Höhepunkt erlebt. Das ist das große Thema der beiden Bücher Daniel und Offenbarung. Die antichristlichen Symbole in diesen Büchern wurden schon von Luther und Calvin auf das Renaissance-Papstum des 16. Jahrhunderts bezogen. Diese Sicht ist ein fester Bestandteil der lutherischen und reformierten Konfessionen. Alles kann auch noch heute in den Schmalkaldischen Artikeln, im Buch der Konkordien, nachgelesen werden. Der Protestantismus als Gesamtheit hat diese Sichtweise jetzt aufgegeben. In der Adventgemeinde ist dieses Verständnis noch so unverkürzt wie bei den Reformatoren zu finden. Die Adventisten verkündigen dies, auch wenn es nicht mehr populär ist. Natürlich spricht die Bibel nicht von einem besonderen Papst, sondern umschreibt in ihrer Symbolsprache eine religiös-politische Macht, die sich an die Stelle Christi erhebt, wie es Paulus im 2. Thessalonicherbrief, Kapitel 2, Vers 4 ausdrückt. Die religiös-politische Geschichte Europas ist in Daniel, Kapitel 7 und Offenbarung, Kapitel 13 in Symbolen vorhergesagt worden. Die Geschichte der Päpste - vor allem im Mittelalter! - und der Inquisition sprechen für sich. Die Offenbarung Johannes spricht sogar drei Mal in ihrem 13. Kapitel von einer zukünftigen Periode der "tödlichen Wunde", in der die Macht zur Verfolgung der sog. Ketzer gebrochen ist. Ich glaube, daß wir jetzt in der Zeit leben, in der die Macht der mittelalterlichen Staatskirche über das ganze Volk "gebrochen" scheint. Aber die Apokalypse spricht auch von einem kurzen, letzten Aufleben der tödlichen Macht. Wir Adventisten glauben, daß das Papsttum wieder eine führende Rolle als anerkannter Repräsentant des ganzen Christentums übernehmen wird. Aber wir haben natürlich keine Auslegung, welcher Papst es in der Zukunft sein wird. Wir verwerfen alle Spekulationen in dieser Richtung. Die heutige Tendenz zur Globalisierung des wirtschaftlichen, politischen und religiösen Lebens spricht ein beredtes Zeugnis darüber, daß wir in der Endzeit leben. Diese Tendenzen und Zeichen der Zeit dürfen wir nicht übersehen. Sie mahnen uns, mit der Vorbereitung auf das Gericht Gottes und die baldige Wiederkunft Christi ernst zu machen.

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