Geb. 8.10.1951 in Radebeul/Dresden, verheiratet mit Ingeborg Weise, Lehrerin, 2 Kinder
Wesentliche berufliche Stationen:
Ausbildung als Offizier der Bundeswehr, Studium der Betriebswirtschaftslehre, Einsatz u.a. als Kompaniechef und Dozent für Betriebswirtschaftslehre.
Controller eines Unternehmensbereichs der VDO Adolf Schindling AG, Frankfurt.
Vorsitzender der Geschäftsführung der Braunschweiger Hüttenwerk GmbH, Braunschweig, mit Tochtergesellschaften in USA und Brasilien.
Vorstand Finanzen der FAG Automobiltechnik AG und zusätzlich Personalchef Führungskräfte der weltweiten FAG-Gruppe.
Mitgründer und später Vorsitzender des Vorstands der Microlog-Logistics AG, Frankfurt.
Ab Mai 2002 bis 18. Februar 2004 Bundesagentur für Arbeit, Mitglied des Vorstands.
Seit 19. Februar 2004 Vorsitzender des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit.
TENDENZEN: Bevor Sie in den Vorstand der BA berufen wurden, waren Sie ein sehr erfolgreicher Manager. Worin unterscheiden sich Mitarbeiterführung und Motivation in einer Behörde mit 90.000 Beschäftigten von denen in Unternehmen der sogenannten freien Wirtschaft, und vor welche grundsätzlich anderen Herausforderungen sind Sie bislang gestellt worden?
FRANK-JÜRGEN WEISE: Im Prinzip ist vieles vergleichbar: Ich bin Manager und sehe meine Aufgabe darin, aus der Bundesagentur (BA) eine zukunftsfähige und erfolgreiche Organisation zu machen. "Erfolgreich" bedeutet hierbei mit beizutragen, daß möglichst viele Menschen in für sie sinnvolle Arbeit vermittelt werden können. Dies wird aber nur dann gelingen, wenn unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als erste dafür gewonnen werden, die anstehenden Probleme und die Reform der BA zu bewältigen. Sie sind die wichtigste Ressource, die wir haben. Auch die Frage nach dem Sinn unserer Arbeit muß überzeugend beantwortet werden. Am besten gelingt das, wenn es in den Agenturen einen Leistungssprung zu mehr Qualität gibt. Kundenzufriedenheit und Mitarbeiterzufriedenheit bedingen sich gegenseitig. Ein wesentlicher Unterschied zur Privatwirtschaft ist die Tatsache, daß wir in der BA Entscheidungen umsetzen, die die Politik getroffen hat. Wir sind also nicht frei in unserer Zielsetzung. Das ist in der Vergangenheit bedauerlicherweise in der öffentlichen Diskussion selten einem breiten Publikum so bewußt gemacht worden!
Als ich 2002 nach Nürnberg kam, hatte die BA weder ein funktionsfähiges Controlling, noch verfügte sie über ein professionelles Qualitätsmanagement. Die Bundesrepublik und ihre Institutionen sind eben nicht mehr das, was sie einmal waren! Meinem Verwaltungsapparat werden heute andere Fragen gestellt, und in einem Gemeinwesen mit über 80 Millionen Menschen werden von uns andere Antworten erwartet als vor dem Beitritt der neuen Länder. Inzwischen haben wir ein neues Führungs- und Steuerungssystem erfolgreich eingeführt - und sind transparenter und effizienter geworden. In unseren Kernaufgaben müssen wir jedoch noch vieles verbessern. Wir brauchen einen kontinuierlichen Verbesserungsprozeß, damit wir dauerhaft Erfolge haben. Stärker als in einem privaten Unternehmen richtet eine aufmerksame Öffentlichkeit hierbei kritische Blicke auf uns und erwartet gute Antworten. Das macht die Aufgabe für unsere Mitarbeiter, meine Vorstands- und Aufsichtsratskollegen und zuletzt auch für mich nicht leichter, dafür aber immer spannend. Und wir werden es schaffen, weil wir auf einem guten Weg sind - zum Wohle aller Menschen, denen wir dienen.
TENDENZEN: Früher verkauften Sie erfolgreich "tote" Softwareprodukte. Heute "fertigen" Sie und Ihre Mitarbeiter ein Produkt, das man "das Glück und ggf. erfreuliche Schicksal von Menschen" nennen kann, wenn es gelingt, sie in Arbeit und Brot zu bringen. Beeinflußt und verändert dies Ihr Denken und Handeln, und wenn ja, wie?
WEISE: Wir haben bei Microlog die Software nicht "verkauft" im engeren Sinne, sondern weltweit dafür mit vielen anderen unterschiedlichen Menschen Sorge getragen, daß der Informations- und Warenfluß mit Hilfe der richtigen Software erfolgreich gesteuert wird. Ich habe mich immer dem Gemeinwohl verpflichtet gefühlt. Diese Grundüberzeugung hat mich mein gesamtes berufliches und gesellschaftliches Leben begleitet - auch jetzt als Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit. Ich bemühe mich auf allen Ebenen, meinen Beitrag zu leisten: sei es durch mein Engagement in der Kommunalpolitik oder in der Kirchengemeinde, sei es durch meine Tätigkeiten in der Industrie oder bei der Bundeswehr. Natürlich ist Erfolg für mich wichtig, ich möchte etwas bewirken mit dem, was ich tue. Und wenn es - wie in der Bundesagentur für Arbeit - darum geht, Menschen wieder in Arbeit und Brot zu bringen, ist die Herausforderung besonders groß.
TENDENZEN: Seit Jahrzehnten konnte die BA ihre Maßnahmen und Aktivitäten stets nur im Rahmen einschlägiger Politik der jeweiligen Regierung tun. Erfolge verbuchten diese dann stets für sich, für schlechte Arbeitsmarktzahlen hingegen war immer Nürnberg verantwortlich. Dabei kann die BA nichts für die soziale Kälte, die sich in unserer Gesellschaft ausbreitet. Frustriert das?
WEISE: Sicherlich ist es nicht erfreulich, immer wieder schlechte Arbeitsmarktzahlen zu verkünden, aber die Arbeitsmarktberichterstattung gehört auch in schwierigen Zeiten zu den Aufgaben der BA. Leider wird beim Blick auf die Arbeitslosenzahlen jedoch häufig vergessen, was die BA leistet, um Arbeitsuchende und Arbeitsplätze erfolgreicher zusammenzubringen: Vor zwei Jahren haben wir einen grundlegenden Reformprozeß begonnen und sind jetzt auf dem Weg zu einem modernen Dienstleister am Arbeitsmarkt. Wenn durch uns Menschen schneller einen neuen Arbeitsplatz finden, wenn Arbeitslose und Arbeitgeber sagen: "Jetzt läuft es ein Stück besser als früher", dann haben wir unsere Aufgaben gut erledigt. Und ich bin überzeugt, daß sich unsere Vermittlungsfachkräfte diesem ehrgeizig gesetzten Ziel in besonderem Maße verpflichtet fühlen. Sie wollen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bieten, damit möglichst alle, die es ernsthaft wollen, auch eine adäquate Arbeit finden und annehmen können. Dabei müssen wir uns mit Blick auf den Arbeitsmarkt immer wieder vor Augen führen, daß die BA keine Arbeitsplätze schaffen kann. Das kann nur die Wirtschaft, und die Politik muß dazu die Rahmenbedingungen schaffen. Und auch da haben wir uns hohe Ziele gesetzt: Die Einschaltquote auf der Angebotsseite (Meldung der offenen Stellen in den Betrieben) wollen wir deutlich erhöhen und, wenn möglich, gar verdoppeln. Durch Qualität wollen wir Personalchefs der Unternehmen davon überzeugen, daß es sich lohnt und auszahlt, der Agentur fast jeden unbesetzten Arbeitsplatz zur Vermittlung zu melden.
TENDENZEN: Arbeiten wir in der Bundesrepublik Deutschland zu wenig? Immerhin lebten die Menschen jahrhundertelang im christlichen Abendland nach der Maxime der Zehn Gebote "Sechs Tage lang sollst du arbeiten …" und waren dabei nicht nur unglücklich. Insbesondere Landwirte, die Vieh unterhalten, müssen sich benachteiligt fühlen, wenn viele Millionen Arbeitnehmer für eine 4- und 5-Tage-Woche auf die Straße gehen. Der Mensch braucht sinnvolle Arbeit, die ihn mit Zufriedenheit erfüllt. Sollte sich die BA bei diesem Teil der Werte-Diskussion in unserem Land mehr zu Wort melden?
WEISE: Die Bundesagentur und ich als ihr Vorstandsvorsitzender arbeiten dafür, arbeitsuchende Menschen und Arbeitgeber besser, schneller und zielgerichteter zusammenzubringen. Damit erfüllen wir unseren sozialpolitischen Auftrag und setzen den politischen Willen um. Uns darüber hinaus als BA in Diskussionen einzumischen, wie zum Beispiel die Arbeitszeitdebatte, ist nicht unsere Aufgabe. Da sind Gesetzgeber und Tarifparteien gefragt.
TENDENZEN: 1968 wagte Alexander Dubcek in der damaligen Tschechoslowakei einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" - und scheiterte. Wäre das "Amt mit menschlichem Antlitz" eine erstrebenswerte Zielvorgabe beim Umbau Ihrer Behörde, oder ist sie zum Scheitern verurteilt, weil dies schon ein Widerspruch in sich ist?
WEISE: Ich hoffe, Sie gehen nicht davon aus, daß die BA bisher kein menschliches Antlitz gehabt habe. Denn das würde den Fähigkeiten und dem Engagement der 90.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicher nicht gerecht. Mag sein, daß bei den bisherigen Strukturen und Arbeitsabläufen das Eingehen auf persönliche Wünsche und Besonderheiten nicht immer deutlich geworden ist, und nicht zuletzt darum wird sich im Laufe der BA-Reform praktisch jeder Arbeitsplatz bei uns verändern: Wer die Agentur für Arbeit 2005 mit dem Arbeitsamt von 2002 vergleicht, wird gänzlich neue Strukturen und Abläufe vorfinden. Die damit verbundenen Veränderungen möchten wir auch mit dem neuen Namen "Bundesagentur" statt "Bundesanstalt für Arbeit" dokumentieren.
Unsere Kunden - sowohl die Arbeitnehmer als auch die Arbeitgeber - sollen uns als kompetente, persönlich engagierte und ideenreiche Partner erleben. Erprobungen in einigen Modellagenturen haben unseren Weg als richtig bestätigt: Die Zufriedenheit der Arbeitslosen und der Arbeitgeber ist deutlich gestiegen - aber auch das persönliche Engagement der jeweiligen Mitarbeiter! Sukzessive werden jetzt in allen Agenturen für Arbeit die neuen Arbeitsabläufe eingeführt. Und dabei sind und bleiben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unser wichtigstes Kapital. Meine Aufgabe ist es, für diesen Weg Begeisterung zu entfachen. Ich werde genügend "Mitstreiter" (und das ist wörtlich gemeint) finden (und habe auch schon viele gefunden!) und auch einen großen Teil der Führungskräfte und Mitarbeiter überzeugen. Wer in diesem Bereich des Gemeinwohls etwas bewegen und die Zukunft gestalten will, hat bei uns alle Entfaltungsmöglichkeiten. "Bremser" werden sich recht bald in der neuen BA unwohl fühlen und von sich aus andere Wirkungskreise suchen.