HINTERGRUND
Die Abschiedsrede
KONRAD ADENAUER (05.01.1876 - 19.04.1967)
Was viele überraschte: Konrad Adenauers letzte Ansprache im Bundestag anläßlich seines erzwungenen Rücktritts am 15. Oktober 1963 war kein sprachliches Monument. Ganz ohne Pathos dankte der scheidende Regierungschef und gab ein Beispiel, das leider keine Schule machte:
"Es ist wahr,   			meine Damen und Herren: Jedes Volk bedarf eine Staatsform und bedarf innerhalb   			dieser Staatsform eine gewisse Lenkung. Aber wir sind gerade in diesen Zeiten   			der Not, die hinter uns liegen,  darüber klar geworden, dass ohne das Mitgehen   			des Volkes, ohne dass das Volk mit handelt, ohne dass das Volk mit die Last auf   			sich nimmt, ohne dass das Volk sich müht weiterzukommen, der Erfolg für jedes   			Parlament und für jede Regierung versagt bleibt.
      ...
      Meine Damen und Herren, es sind für mich bewegte Tage, und ich möchte danken.
      ...
      Ich möchte denjenigen Mitgliedern dieses Hauses, die mit mir gearbeitet haben,   			dafür danken, dass sie die ganzen 14 Jahre hindurch mit mir gearbeitet haben,   			und ich möchte auch der Opposition dafür danken, dass sie da war und die Pflicht   			der parlamentarischen Opposition erfüllt hat. Diese Opposition in parlamentarisch   			regierten Staaten, diese Pflicht der Opposition ist notwendig für das Parlament,   			für das Volk und für dessen Regierung. Wir brauchen alle eine Kontrolle, eine Kontrolle,   			ob wir auf dem richtigen Wege sind. Und es ist wirklich nicht so - das darf ich in   			diesem Augenblick sagen -, als ob ich allen und jeden Satz, der von der linken   			Seite des Hauses gekommen ist, ohne weiteres beiseite geschoben hätte. (Heiterkeit)  			Keineswegs, meine Damen und Herren! Erstens ist das Dasein der Opposition   			prophylaktisch. (Heiterkeit)   			Dieses prophylaktische Wirken der Opposition wird leider in der Öffentlichkeit   			zu wenig veranschlagt. Aber es ist da. Das Vorhandensein einer Opposition äußert   			sich nicht nur in Zeitungsartikeln oder etwa in Reden hier im Parlament, sondern   			jeder Regierungschef, der ein Volk führen will, muss sowohl darauf achten, dass er   			eine Mehrheit hat, wie darauf, dass er eine Opposition hat. (Heiterkeit)
      ...
      Gerade für ein geschlagenes Volk, wie wir es waren, nach einem Krieg, der von   			Deutschen vom Zaun gebrochen war, ist die Stetigkeit in der Politik eine Grundbedingung.   			Nichts, meine Damen und Herren, ist dem Ansehen eines Volkes und namentlich unserem   			Volke, nach alledem, was hinter uns liegt, abträglicher als der Ruf der Unstetigkeit.   			Die Stetigkeit in der Politik ist die Voraussetzung für das Ansehen eines Volkes.   			Ein guter Teil des Erfolges ist auch darauf zurückzuführen, dass die Opposition milder   			geworden ist (Heiterkeit) - auch das, meine Damen und Herren, ist ein Erfolg des   			Parlaments - und dass sich die Parlamentsmehrheit auch daran gewöhnt hat zuzuhören,   			wenn die Opposition spricht. (Erneute Heiterkeit) Denn nur vom Sprechen und dem   			Zuhören kann etwas Gutes werden, nicht vom Sprechen allein; das Zuhören gehört dazu.   			(Beifall) Ich werde ja wieder in Ihre Reihen zurückkehren - da ist mein Platz -,   			und ich werde zuhören. Ich hoffe, wenig zu sprechen.
      ...
      Meine Damen und Herren, man soll nicht zuviel sprechen. Wer immer spricht, dessen Wort   			wird wenig beachtet."

 Prof. Joachim Fest
Claus Jacobi
 Prof. Dr. Michael Stürmer
Marcel Reich-Ranicki
Dr. Edmund Stoiber
Mainhardt Graf von Nayhaußen
 Danièle Thoma