Claus Jacobi, 71, war bis Ende 1998 Herausgeber von "Welt am Sonntag". Jeden Samstag veröffentlicht er eine Kolumne in der Bild-Zeitung. Ausgewählte veröffentlicht TENDENZEN mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.
 
  Claus Jacobi, 71, war bis Ende 1998 Herausgeber von "Welt am Sonntag". Jeden Samstag veröffentlicht er eine Kolumne in der Bild-Zeitung. Ausgewählte veröffentlicht TENDENZEN mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.
 "Das Unglück ist, dass jeder denkt, der andere ist wie er und 
      dass er dabei übersieht, dass es auch anständige Menschen gibt." 
      Heinrich Zille 
Die Republik hat den   			Tod eines liebenswerten Nächsten zu beklagen, den Tod des Anstands in gewissen   			Kreisen. Nach langem schweren Leiden ist er an Magersucht gestorben.
        
      Sein Ableben kam nicht unerwartet. Seine Überlebenschance war gering. Materialismus   			und Selbstsucht, Geldgier und Korruption haben seinen Lebensraum erobert. Sie   			grasen auf fetten Weiden. Ich, ich, ich, haben, haben, haben, mehr, mehr, mehr -   			da bleibt für Anstand nicht viel Zeit. 
  
      Wer kann, stopft sich die Taschen voll.
  
      Das Beunruhigende ist nicht, dass sie es tun. Das Beunruhigende ist, dass sie   			dabei offensichtlich nicht einmal ein Unrechtsbewusststein empfinden.
  
  "Florida-Rolf", der Sozialhilfeempfänger in Miami, konnte noch darauf verweisen,   			dass er parkte, wo Parken erlaubt war. Im "Adlon" stand der Bundesbankpräsident   			schon näher am Halteverbot.
  
      Aber das Wort "Es gehört sich nicht" scheinen viele nie gehört zu haben. Das ist   			unehrenhaft, das tut man nicht, das ist unmoralisch, das schickt sich nicht, das   			ist unanständig - selten so gelacht. Wichtig ist das 11. Gebot: Du sollst dich nicht   			erwischen lassen.
  
      Die Wurzel des Übels: Wir haben keine moralische Instanzen mehr, die allgemein   			anerkannt werden und uns verbindlich lehren, was richtig und was falsch ist. Der   			Einfluss der Kirchen nimmt ab. Die politische Klasse liefert keine Vorbilder. Eltern   			sind auf dem Rückzug. Familien zerfallen. Staat und Straße dienen als Erzieher.
  
      Resultat: Der süßliche Geruch von Fäulnis streicht über das Land. Die Sitten verfallen.   			"Big Brother" ist überall. Erlaubt ist, was gefällt. Porno in der ARD, Koks und Huren   			für Stützen der Gesellschaft. Politiker zocken Tagegelder ab, Manager Millionen.
  
      In einer solchen Welt mag es manchem Mächtigen fortschrittlich dünken, Anstand über   			Bord zu werfen. Auf Dauer wird das nichts bringen. 
  
      Anstand ist Teil des Guten. Und trotz eindrucksvoller Versuche hat noch niemand in   			der Geschichte das Gute je auszurotten vermocht. Es kann immer nur begrenzt - und   			auf Zeit - untergebuttert werden. 
  
    Der Anstand ist tot? Vielleicht auf Zeit in gewissen Kreisen. Aber in anderen   			Menschen wird er leben - und aufbegehren.
Claus Jacobi

Claus Jacobi
    Von Glück, Gespenstern und dem Geheimnis des Lebens 
    
    Denkanstösse über den Tag hinaus
    
    208 Seiten, gebunden
    
    Goldmann Taschenbuch 
    
    
    29,80 DM
    
    
    ISBN : 3-7766-2074-9
    
  
Eine Auswahl von 78 Kolumnen, die Claus Jacobi in den letzten Jahren veröffentlicht hat, ist jetzt zum ersten Mal als unter Von Glück, Gespenstern und dem Gehiemnis des Lebens erschienen. Es sind Glanzstücke des deutschen Journalismus. Jacobi liebt Geschichte und Geschichten. "Political correctness" läßt ihn "kalt wie der Kuß einer Tante". Und er ist überzeugt: "Wenn Heuchelei dick machen würde, bräuchten unsere Parlamente Flügeltüren".