EDITORIAL
Immanuel Kant und "Religion ohne Gott"
"Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht: der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir."
Immanuel Kant, Deutscher Philosoph (1724-1804)
Liebe Leserin, lieber Leser,
zum 200. Todestag Immanuel Kants am 12. Februar d.J. widmete das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL dem deutschen Philosophen die Titelgeschichte unter der Überschrift: "Das reine Gold des Denkens". Angesichts des Unfriedens in der Welt, wird Kant als Anwalt für eine Verbindung zwischen Religionskritik und Friedenstheorie entdeckt.
Der Gedanke ist in der Tat genial verführerisch: Wenn alle Menschen dem moralischen Gesetz in sich folgen würden, lebten wir alle in Frieden. Schon feiern viele Kant als Geburtshelfer einer Religion ohne Gott. Jetzt müssen nur noch auch alle Fanatiker in anderen Religion der Welt zu "Kantianern" werden, der in "Versuch über die Krankheit des Kopfes" 1764 u.a. schrieb, der Fanatiker "ist eigentlich ein Verrückter von einer großen Vertraulichkeit mit den Mächten des Himmels. Die menschliche Natur kennt kein gefährlicheres Blendwerk". Und wir haben es verstanden.
Wir haben nichts verstanden.
Auch Kants berühmter Satz: "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeter Unmündigkeit" sollte nicht oberflächlich bewundert werden. Eher beiläufig wurde dieser Satz formuliert als die Erwiderung auf einen Diskussionsbeitrag in der "Berlinerischen Monatsschrift" zur Frage, ob die Ehe unbedingt den Segen der Kirche brauche. DER SPIEGEL (1/2004, Seite 129): "Seine Definition der Aufklärung krönt Kant mit dem berühmten Appell: ‚Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.'"
Als Kant moralische Postulate für ein friedliches Miteinander in sich selbst sucht und findet und diesen Erkenntnisweg auch allen anderen anempfiehlt zu gehen, ist es wie ein Schlag ins Gesicht der religiösen Arroganz der großen und kleinen Religionen im deutschsprechenden Raum ca. 250 Jahre nach Reformation und Gegenreformation. "Wahrhaftigkeit" ist für Kant das wichtigste Kriterium eines guten Charakters. Der Mensch soll sie in sich suchen und fördern. Die - nicht nur - religiöse Obrigkeit ist da kein Vorbild. Freilich: Kant profitiert von der Weltoffenheit seines Königs, Friedrich des Großen, der es eher gutväterlich mit den Aufklärern meint: "Räsoniert, soviel ihr wollt, nur gehorcht".
Und dann der wohl bekannteste Satz Immanuel ("Wer ist wie Gott?") Kants: "Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeine Gesetzgebung gelten könne." Alle jubeln. Bis heute. Haben wir Kant verstanden? Hat Kant selbst letztlich verstanden, dass er hier - möglicherweise unbeabsichtigt - das Wesen und den Charakter Gottes beschrieben hat? Denn, den gleichen Gedanken hat Jesus etwa 1800 Jahre schon vor Kant in der berühmt gewordenen Bergpredigt formuliert: "Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten." (Matthäusevangelium, Kapitel 7, Vers 12)
Kant wurde und wird gefeiert als Vorreiter einer "Religion ohne Gott". Dabei hat er vielleicht am Ende einen Gott ohne Religion entdeckt. Eine Entdeckung, die jeder Mensch macht, wenn er ein Kind Gottes wird.
Wenn wir das begreifen, werden wir Kant besser verstehen und - was für unser ewiges Schicksal noch viel wichtiger ist -, wir werden Jesus besser verstehen.
Jesus Christus, dem personifizierten Ende aller Religion.
Herzlichst
Ihr
A.Schosch