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Interviews

Zum Nachdenken

Claus Jacobi, Berlin

Stuermer

Claus Jacobi, 71, war bis Ende 1998 Herausgeber von "Welt am Sonntag". Jeden Samstag veröffentlicht er eine Kolumne in der Bild-Zeitung. Ausgewählte veröffentlicht TENDENZEN mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.










"Im Schatten einer grossen Eiche"

Von Claus Jacobi, Hamburg

Ein bedeutender Vater ist eine süße Last. Er beschert seiner Brut Vorteile und Handicaps. Söhne messen sich, Töchter ihre Liebhaber häufig an seiner Überlebensgroßer Gestalt. Manche zerbrechen daran, andere wachsen über sich hinaus, kaum einer bleibt unberührt. Fast alle aber hat ihr Schicksal zu etwas Besonderem geschliffen. Drei von ihnen haben meinen Weg gekreuzt: Svetlana Stalin, Randolph Churchill und Axel Springer jr.

Svetlana ("Die Lichtvolle") war 1926 als drittes und letztes Kind Stalins geboren worden. Ihre Mutter, die zweite Frau des Tyrannen, erschoß sich 1932. Als junges Mädchen sandte Svetlana ihrem Vater ein Foto, das sie lächelnd zeigte. Er schickte es ihr zurück: "Du hast einen frechen Gesichtsausdruck. Früher war Bescheidenheit darin." Vor einem halben Jahrhundert starb Stalin. Seine einzige Tochter hielt seine Hand auf dem Totenbett. Sie war inzwischen 27 Jahre alt. Er hatte mehr Millionen Tote auf dem Gewissen als jeder andere auf Erden. Svetlana wußte um seine Grausamkeit. Und doch: Als er von ihr ging, "da fühlte ich, wie mein Herz zerriß vor Schmerz und vor Liebe". 1967 floh sie mit Hilfe der CIA in die USA. Dort begegnete ich ihr. Sie war klug und bezaubernd. Unter einer Eiche auf Long Island erzählte sie von ihrem Vater, "den ich liebte, den ich nicht verstand und dennoch verurteilte". In drei Ehen schenkte sie je einem Kind das Leben und wurde dreimal geschieden. Ihr Streben nach Glück wurde überschattet von dem dunklen Schemen des Vaters.

Ganz anders Randolph Churchill. "Ich wurde", so beginnt seine Autobiografie, "als Sohn armer, aber ehrbarer Eltern geboren." Für ihn war sein Vater Winston Churchill Stolz und Vorbild zugleich. Er wollte sein, wie der Weltbeweger war: So unerschrocken, so unbekümmert und so tollkühn, so originell, so klug - und wenn möglich auch so ruhmbedeckt. Das war naturgemäß nicht ganz einfach - bei aller Tapferkeit und Brillanz des Sohnes. "Zwei Churchill sind einfach zu viel", seufzte er schließlich. An einem Wochenende auf seinem Landsitz Stour am Stour in Suffolk, wo er mit dem Mopsehepaar Captain und Mrs. Boykott wohnte, suchten wir das Dilemma auszuloten. Randolph Churchills Kummer war zugleich sein Trost: "Im Schatten einer großen Eiche kann nichts Großes wachsen."

Am meisten imponiert hat mir jener Betroffene, der mir am nächsten stand: Axel Springer jr. In jungen Jahren machte er sich selbständig, weil sein Vater gegen seine frühe Heirat gewesen war. Axel Springer sen. Schuf das größte Zeitungshaus Europas. Axel Springer jr. Kehrte erst in die Arme und den Konzern seines Vaters zurück, nachdem er als Fotograf mit eigener Agentur unter dem Namen Sven Simon internationale Anerkennung errungen hatte - ohne Hilfe seines mächtigen Erzeugers. "Das war das Drittwichtigste in meinem Leben", sagte er mir: "Nach Einatmen und Ausatmen." Ich bin froh und stolz, dass er der Pate meiner Jüngsten wurde.

 

Claus Jacobi

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