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Interviews

Tendenzen Gespräch

Dr. Mostafa Danesch , Köln

Stuermer

Dr. Mostafa Danesch, promovierter Politologe, geb. 1944 in Iran, lebt und arbeitet als Journalist und Filmemacher in Köln. Seine Artikel und Interviews mit Politikern wie Ghaddafi, Khomeini oder Arafat erschienen u.a. in DER SPIEGEL, "stern" und der FAZ.













"Religion wird zur letzten Waffe für die Verlierer der neuen Weltordnung"

Dr. Mostafa Danesch, in Köln lebender Journalist, Gerichtsgutachter und Filmemacher über die Veränderung der Weltordnung nach dem Kalten Krieg und dem 11. September 2001, über die Gefahr der neuen Religionskriege und über die Grenzen für die Demokratie in den islamisch-religiös geprägten Gesellschaften des Nahen und Mittleren Ostens
Ranicki

Dr.Mostafa Danesch im Gespräch mit A.Schosch.
Foto: Werner Renz, STIMME DER HOFFNUNG, Darmstadt

TENDENZEN: Herr Dr. Danesch, in Ihrem Buch "Wer Allahs Wort missbraucht - Krisenherd islamische Welt" haben Sie noch vor dem jüngsten Krieg im Irak vieles geradezu vorausschauend geschrieben, was neueste Nachrichten bestätigen. Sind Sie ein Prophet oder waren die Ereignisse einfach nur eine logische Folge der Entwicklung der letzten Jahre?

DR. DANESCH: Man brauchte kein Prophet zu sein, um die heutigen Ereignisse vorauszusagen. Wer Zentralasien, den Mittleren und Nahen Osten kennt, konnte vorhersehen, dass demokratische Verhältnisse nicht mit kriegerischen Mitteln herzustellen sind. Auch vor Anschlägen wie den Bombenattentaten von Saudi-Arabien in der Nacht vom 12. auf den 13. Mai diesen Jahres, bei denen nach offiziellen Angaben 34 Menschen ums Leben kamen, darunter viele Amerikaner, habe ich in meinem Buch gewarnt, als ich die explosive Situation in Saudi-Arabien schilderte. Auch der Krieg gegen den Irak hat die Gefahr durch den fundamentalistischen Terror nicht vermindert.

Das Beispiel Afghanistans nach der Vertreibung der Taliban zeigt, wie illusorisch es ist, Demokratie mit kriegerischen Mitteln einführen zu können: Wie konnte man glauben, in einer noch im Stammesdenken verharrenden Gesellschaft durch die simple Installierung eines US-freundlichen Präsidenten und eines ebensolchen Kabinetts, wie es mit Präsident Karsai und seiner Regierung geschah, Demokratie einfach verordnen zu können? Heute sind wir in Afghanistan weit von demokratischen Verhältnissen entfernt.

TENDENZEN: Die Machtverhältnisse in der Welt werden anscheinend nach dem Ende des so genannten "Kalten Krieges" zwischen USA und der inzwischen nicht mehr existierenden UdSSR neu geordnet. Ist eine Demokratisierung der Welt nach Art einer "Pax Americana" zu erwarten?

DR. DANESCH: Nach dem Zerfall der Sowjetunion ist nunmehr nur noch eine einzige Weltmacht übrig, die in der Tat glaubt, durch reine militärische Übermacht eine neue Weltordnung errichten zu können. Dadurch, dass die USA viele der Instrumentarien ignorieren, die sich die Weltgemeinschaft bis heute geschaffen hat - die UNO, das Völkerrecht, das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, das nicht über US-Bürger urteilen darf -, entsteht allerdings eine Weltordnung, in der allein das Recht des Stärkeren gilt. Wenn keine Weltorganisation mehr über die Beziehungen zwischen den Völkern wacht, besteht die Gefahr, dass die Religion als einziges noch überdauerndes ideologisches Gebäude zur letzten Waffe derer wird, die in dieser neuen, einpoligen Weltordnung auf der Verliererseite stehen. Dann stünden wir tatsächlich dem befürchteten "Kampf der Kulturen" gegenüber.

TENDENZEN: In die südirakische Großstadt Basra kehrte nach 23 Jahren im iranischen Exil der schiitische Oppositionsführer Ayatollah El Hakim zurück. "Er ist für uns der neue Khomeini", sagten sehr viele der über 2000 begeisterten Anhänger. Werden die Amerikaner und ihre Verbündeten die Erfahrung des Zauberlehrlings wiederholt machen müssen und die Geister, die sie riefen, womöglich nicht mehr loswerden können?

DR. DANESCH: Im Kalten Krieg wurde der Islam als Waffe missbraucht, insbesondere durch die USA im Afghanistan-Krieg, um die andere Supermacht Sowjetunion, die in Afghanistan eingefallen war, zu destabilisieren und schließlich zu zerschlagen. Ich halte es für gut möglich, dass sich im Irak eine ähnliche Entwicklung vollzieht. Die Schiiten stellen 60 % der irakischen Bevölkerung. In ihrem Islambild steht der Gedanke des Imamats im Mittelpunkt - das heißt, das Primat der Religion und die Einheit von religiöser und politischer Herrschaft. Im Irak werden heute mit der Rückkehr der religiösen Führung aus dem Exil und dem Wiedererstarken des schiitischen Kults machtvolle Kräfte freigesetzt, deren Ziel eine islamische Herrschaft nach iranischem Vorbild ist. Einhalt gebieten könnte man solchen Kräften nur mit einem raschen und wirklichen Wiederaufbau, mit dem Einkehren stabiler ökonomischer und gesellschaftlicher Verhältnisse. Doch wie es heute aussieht, sind die USA kurz- und auch mittelfristig nicht in der Lage, dies zu gewährleisten. Damit ist abzusehen, dass es in der einen oder anderen Weise zu einer Konfrontation mit diesen fundamentalistischen Kräften kommen wird. Auch im Irak ist eine Situation geschaffen worden, deren Konsequenzen schwer zu bewältigen sein werden. Trotz der ganz anderen weltpolitischen Lage könnten die USA hier durchaus einmal mehr die Erfahrung des sprichwörtlichen Zauberlehrlings machen.

TENDENZEN: Eben dieser Ayatollah El Hakim sagte bei seiner ersten Ansprache auch den Satz: "Ich bin ein Soldat des Islams, dienend dem irakischen Volke". Das hört sich beinahe wie eine Drohung an und könnte ein Indiz für eine im Grunde doch religiöse Auseinandersetzung mit der christlich-westlichen Welt sein. Stehen wir möglich doch am Vorabend religiöser Kriege in der Welt?

DR. DANESCH: Schon der geistige Vater und Lehrer El Hakims, Ayatollah Khomeini, propagierte die Weltherrschaft des Islam, und zwar durchaus nicht durch Missionierung, sondern auch mit kriegerischen Mitteln. Wenn sein Schüler El Hakim sich als "Soldat des Islam" bezeichnet, so muss man dies durchaus wörtlich nehmen. Die Drohung einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Orient und Abendland ist nicht von der Hand zu weisen, insbesondere, wenn man auf der anderen Seite hört, wie die Bush-Administration ihren Krieg als "Kreuzzug" und "gottgewollt" darstellt. Die Gefahr liegt in dieser ideologischen Verhärtung auf beiden Seiten. Einen Ausweg könnte nur ein gleichberechtigter Dialog der Völker weisen, der die politischen und wirtschaftlichen Interessen aller Beteiligten berücksichtigt.

TENDENZEN: Etwa einer Milliarde Moslems weltweit stehen etwas mehr Christen (mehrheitlich römisch-katholisch geprägt) gegenüber. Mit einem gravierenden Unterschied: Das Christentum hat in der Position des Papstes eine unumstrittene Führungspersönlichkeit, die den Versuch nicht scheut, moralisch-geistige Oberhoheit über die militärischen Mächte USA und Großbritannien zu erlangen. Ist der Krieg der Kulturen in Wirklichkeit gar ein Krieg der Religionen?

DR. DANESCH: Hier möchte ich etwas modifizieren. Das Engagement des römisch-katholischen Papstes gegen den Krieg im Irak hat zwar seine moralische Autorität innerhalb und außerhalb seiner Kirche gestärkt, musste letztlich aber wirkungslos bleiben. Auch in der islamischen Welt gibt es nicht-fundamentalistische Kräfte, die auf Ausgleich und Dialog setzen. Erst wenn auf beiden Seiten diese moderaten Kräfte gestärkt werden und ihre wegweisende Rolle durch die Politik anerkannt wird, kann es zu einem Dialog kommen. Wenn aber auf beiden Seiten Fundamentalisten das Bild bestimmen - fanatische Islamisten auf der einen und Kreuzzugsideologen auf der anderen und beide die absolute Wahrheit für sich reklamieren -, dann sehe ich schon die Gefahr, dass ein Krieg der Religionen ausbrechen könnte.

TENDENZEN: Sie arbeiten gerade an einem Buchmanuskript zum Thema "Krieg und Demokratie". Sind wir hier vielleicht nur Nebenschauplätze? Nach biblischer Überlieferung fand der erste Krieg im Himmel statt. Und auch beim Brudermord Kains an Abel spielte die Religion eine wichtige Rolle. Sind wir Menschen mit unserem Hang zur Religion überhaupt für Demokratie geeignet? Schließen sich, zu Ende gedacht, Religion und Demokratie gar aus?

DR. DANESCH: Dies ist eine sehr philosophische Frage. Ich möchte sie eher auf einer politischen Ebene beantworten: Jede der großen Weltreligionen erhebt den Anspruch, die Wahrheit für sich gepachtet zu haben. Dies widerspricht natürlich diametral dem demokratischen Gedanken, der sich ja gerade über die Achtung des Andersdenkenden und den Pluralismus der Meinungen definiert. Solange allerdings die Religion Privatangelegenheit des Einzelnen bleibt und - über die moralische Autorität gegenüber ihren Gläubigen hinaus - keinen Herrschaftsanspruch aufstellt, brauchen Religion und Demokratie nicht in Konflikt zu geraten. Zu einer Gefahr wird die Religion erst dann, wenn sie durch machtpolitische Interessen instrumentalisiert wird und mit allen, auch militärischen und terroristischen Mitteln, auf der weltlichen Ebene ihren Absolutheitsanspruch erhebt.

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