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Interviews

Zum Nachdenken

Claus Jacobi, Berlin

Stuermer

Claus Jacobi, 71, war bis Ende 1998 Herausgeber von "Welt am Sonntag". Jeden Samstag veröffentlicht er eine Kolumne in der Bild-Zeitung. Ausgewählte veröffentlicht TENDENZEN mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.










"Als man Caesar beleidigte"

Von Claus Jacobi, Hamburg

Im Jahre 44 v.Chr. fiel Caesar einem Attentat zum Opfer. 23 Messerstiche setzten seinem Leben ein Ende, das ihm einst ein Messer geschenkt hatte. Er war um 100 (oder 102?) v.Chr. durch einen Kaiserschnitt (caesus ab utero matris) zur Welt gekommen. Sein Name aber leitete sich nicht von dieser seit langem geübten Art der Geburtshilfe ab; es hatte schon immer Caesare in seiner angesehenen Familie gegeben.

Als Twen wurde Caesar auf dem Weg nach Asien von Seeräubern gefangen. Sie verlangten 20 Talente Lösegeld. Beleidigt tadelte er sie, dass sie seinen Wert unterschätzten, bot ihnen 50 Talente an und versprach, sie zu hängen, sobald er könne. Nach dem Eintreffen des Lösegeldes und seiner Freilassung heuerte er Schiffe und Mannschaften, jagte und fing die Piraten und kreuzigte sie. Aber, so berichtet Will Durant in seiner 18bändigen "Kulturgeschichte der Menschheit", da er "ein sehr sanftmütiger Mann war, ließ er ihnen zuvor die Kehle durchschneiden. Dann begab er sich nach Rhodos, um Rhetorik und Philosophie zu studieren."

So wurde Caesar nicht nur ein überragender Feldherr und Staatsmann, sondern auch ein Sprachgewaltiger. "Die Würfel sind gefallen", sagte er, als er den Rubikon überschritt, um die Macht in Rom zu ergreifen: "Dir, Schicksal, folge ich!"

Winston Churchill und Otto von Bismarck sind Beispiele jüngerer Vergangenheit für die ungewöhnliche Kombination, die bei den Großen der Geschichte bisweilen zu finden ist.. Wie einst Caesar führten sie siegreiche Kriege, regierten weise und schenkten ihrer Zeit unvergessene Zitate. "Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts auf der Welt", erklärte Bismarck 1888 im Reichstag. "Ich habe nichts zu bieten als Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß", versprach Churchill 1940 dem Unterhaus. Doch das Handeln war ihnen stets ungleich wichtiger als das Wort.

Andere redegewandte Politiker machten es sich etwas einfacher. "Frage nicht, was dein Land für dich tut; frage, was du für dein Land tust", rief zwar John F. Kennedy 1961 bei seiner Amtseinführung eindrucksvoll. Aber US-Präsident Warren Harding (1865-1923) hatte schon Jahrzehnte vor ihm formuliert: "Wir brauchen Bürger... denen es weniger darum geht, was die Regierung für sie tun kann und die mehr daran denken, was sie für die Nation tun können."

Fatal wurde es schließlich in unserem Jahrhundert. Rhetorik und Leistung klafften immer weiter auseinander. Immer lauter wurde getönt, immer weniger erreicht. Denn Reden können zwar berühren. Aber nur Taten können die Welt verändern.

Wie wohltuend wäre es im TV-Zeitalter, statt vollmundiger Ankündigung bevorstehender Triumphe mal wieder Caesars lakonische Vollzugsmeldung zu hören: "Ich kam, sah, siegte."

Claus Jacobi

Buchtipp:

Joachim Fest

Claus Jacobi
Von Glück, Gespenstern und dem Geheimnis des Lebens
Denkanstösse über den Tag hinaus

208 Seiten, gebunden
Goldmann Taschenbuch

29,80 DM

ISBN : 3-7766-2074-9

Eine Auswahl von 78 Kolumnen, die Claus Jacobi in den letzten Jahren veröffentlicht hat, ist jetzt zum ersten Mal als unter Von Glück, Gespenstern und dem Gehiemnis des Lebens erschienen. Es sind Glanzstücke des deutschen Journalismus. Jacobi liebt Geschichte und Geschichten. "Political correctness" läßt ihn "kalt wie der Kuß einer Tante". Und er ist überzeugt: "Wenn Heuchelei dick machen würde, bräuchten unsere Parlamente Flügeltüren".

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