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Mehr Mut zum Streit mit dem Islam


Von Gernot Facius

Zum Dialog mit dem Islam gibt es keine Alternative. Wer wollte dem EKD-Ratsvorsitzenden Manfred Kock da widersprechen. Rund dreieinhalb Millionen Moslems in Deutschland sind eine gesellschaftliche und religiöse Realität, die man nicht wegdiskutieren kann. Allerdings wirkt der Kock-Satz reichlich defensiv, sofern nur das Ob und nicht das Wie des Dialogs gemeint ist. Denn die Bilanz der bisherigen christlich-moslemischen Gespräche fällt deprimierend aus. Allmählich dämmert es auch den Dialog-Euphorikern in beiden Großkirchen, dass sie von den Repräsentanten der islamischen Verbände hinters Licht geführt wurden.

Selbst der von Kardinälen, Bischöfen und Kirchenpräsidenten als Gesprächspartner geschätzte Nadeem Elyas vom Zentralrat der Muslime in Deutschland hat sich als strammer Verteidiger islamischer Rechtsauffassungen entpuppt, der sich im Übrigen vom wahhabitischen Regime in seiner Heimat Saudi-Arabien keineswegs so emanzipiert hat, wie er gerne vertraulich beteuert. Das Ziel eines islamischen Staates hat er auch in der Diaspora nicht aus den Augen verloren. Nun darf gerätselt werden, was sein Bekenntnis zum Grundgesetz mit der klaren Trennung zwischen Staat und Religion und zu den Menschenrechten wert ist: Gilt es nur für die islamische Minderheitenposition in Deutschland oder hat es grundsätzliche Bedeutung? Die bisherigen Antworten moslemischer Funktionäre verschwimmen im Nebel allgemeiner Toleranzbeteuerungen. So kommt es fast einem Aufschrei der Enttäuschten gleich, wenn der Publizist Robert Leicht, ein Ratsmitglied der EKD, vor der Synode sagt, er sei verwundert, "mit welcher Geduld wir den Anspruch von geistlicher und weltlicher Herrschaft des Islam hinnehmen".

Dialog wird erst dann möglich sein, wenn die an ihm Beteiligten sich gegenseitig die Selbstdefinition ihrer eigenen Position gewähren. Das geht über das selbstverständliche nachbarschaftliche Miteinanderreden weit hinaus. Und das schließt Konfrontation, notfalls harte Konfrontation mit ein, sofern sich die christlichen Dialogpartner ihrer Beheimatung im eigenen Glauben sicher sind. Sind sie das? Das heißt nach Joh. 14,6: Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben, "niemand kommt zum Vater denn durch mich". Und islamisch heißt das, niedergelegt in Sure 3, 85 des Korans: "Wer eine andere Religion als den Islam begehrt: nimmer soll sie von ihm angenommen werden, und im Jenseits wird er unter den Verlierern sein." Dieser allen Religionen zuzubilligende exklusive Wahrheitsanspruch ergibt nach den Worten des hessischen Kirchenpräsidenten Peter Steinacker die notwendige Wahrheitsperspektive, ohne die jeder Dialog nutzlos wird. Gefragt ist deshalb der Mut zur Dissonanz und nicht die naive, schwärmerische religiöse Gleichmacherei einer Dialogindustrie oder eines Funktionärsdialogs. Fehlt es an diesem Mut, erübrigt sich auch der Dialog.

Den Moslems in Deutschland und Europa, konkreter: den Sprechern ihrer Organisationen und Verbände wird man eine klare Antwort auf die Frage abverlangen müssen: Welche Absichten hegen sie langfristig gesehen in der Diaspora? Der Dialog hat bisher die Kapitel Dschihad und Gewalt im Allgemeinen umgangen, wenn nicht tabuisiert. Von keiner repräsentativen islamischen geistlichen Autorität ist bekannt, dass sie die Ereignisse des 11. September wie jede Art von Terror entschieden und glaubwürdig verurteilt hätte. Im Internet finden sich fast täglich Appelle und islamische Rechtsgutachten gegen die "Unterwerfung" unter westliche Gesetze; die Menschenrechte, so wie sie im Grundgesetz verankert sind, werden nicht als universal gültige Rechte, unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Religion begriffen, sondern als böse "westliche Werte" diffamiert.

Wahrscheinlich hat der Orientalist und Buchautor Hans-Peter Raddatz Recht, wenn er angesichts dieser schwierigen Gemengelage dazu rät, den Dialog mit dem Islam stärker auf der politischen Ebene zu führen. Die Kirchen, die sich auf die religiösen Aspekte konzentrierten, seien letztlich nicht die geeigneten Gesprächspartner. Aber auch bei einer solchen Neuausrichtung des Dialogs sollte man sich hüten, den Islam politisch korrekt zu sehen und ihn nach Kriterien der eigenen säkularen und religiös indifferenten Gesellschaftsnormen zu bewerten. Das wäre unhistorisch und würde sich bald gefährlich rächen.

Gernot Facius

Den Autor erreichen Sie unter: facius@welt.de

Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion der WELT und des Axel-Springer-Verlages. Weitere interessante Beiträge aus Politik, Gesellschaft und Religion unter www.welt.de

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