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Amerika, besser als Rom

Wird Amerika sich zukünftig den Status der wichtigsten Weltmacht mit einigen anderen Ländern teilen müssen?

Von Joseph Nye

Wenn die amerikanische Regierung ihre Karten richtig ausspielt und nicht als Solist, sondern als Orchesterleiter im Konzert der Nationen auftritt, dann dürfte die Pax Americana, zumindest was ihr Fortbestehen angeht, der Pax Romana mehr ähneln als der Pax Britannica. Dabei würde die "sanfte Macht" ("soft power") eine wesentliche Rolle spielen. Wie Henry Kissinger einmal sagte, besteht die historische Bewährungsprobe der Vereinigten Staaten darin, ob sie ihre derzeitige Vormachtstellung in einen internationalen Konsens verwandeln, also ob sich ihre Grundsätze als weit gehend akzeptierte internationale Werte durchsetzen können. Dies erreicht zu haben kennzeichnete zu ihren Blütezeiten das große Rom und das britische Empire.

Im Gegensatz zu Großbritannien wurde Rom nicht von einem neuen, mächtigen Rivalen gestürzt, sondern ging an seinem inneren Verfall und jenen Tausenden von Blessuren zu Grunde, die diverse Barbarengruppen ihm zugefügt hatten. Obwohl ein innerer Verfall der USA immer möglich ist, scheint jedoch zurzeit keiner der in diesem Zusammenhang üblicherweise genannten Trends verstärkt in diese Richtung zu weisen.

Die amerikanische Haltung zu Beginn dieses Jahrhunderts ist trotz der terroristischen Bedrohung positiv und realistisch zugleich. Die erste Reaktion auf den 11. September gab Anlass zur Hoffnung: Die Amerikaner erlagen nicht der Gefahr, sich vom Rest der Welt abzuschotten, und Kongress und Bush-Regierung rückten von ihrer ursprünglichen unilateralen Grundhaltung ab. Heute macht sich die Bevölkerung keine Illusionen hinsichtlich der Grenzen amerikanischer Macht und bekundet eine Bereitschaft, diese Macht mit anderen zu teilen.

Beeindruckend sind die tiefenpsychologischen Umfragen, die dies in aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen: Während 28 Prozent der Amerikaner glauben, ihr Land werde auch über die nächsten 100 Jahre die wichtigste Weltmacht bleiben, sind 61 Prozent der Ansicht, dass sich die Vereinigten Staaten diesen Status zukünftig mit einigen anderen Ländern teilen werden. Nicht einmal einer von zehn Befragten meint, die USA würden keine Großmacht mehr sein. Eine große Mehrheit lehnt eine rein unilaterale Haltung ab: Mehr als zwei Drittel der Amerikaner sind grundsätzlich gegen einen Alleingang der Vereinigten Staaten im Ausland ohne die Unterstützung anderer Länder.

Die Amerikaner haben offenbar ein intuitives Gespür für die "sanfte Macht", auch wenn ihnen der Begriff "soft power" vielleicht nichts sagt. Andererseits ist es schwerer geworden, die "Barbaren", die es in unserer Welt zuhauf gibt, von diesem Prozess auszuschließen. Die rapide gesunkenen Kosten der Kommunikation, das Aufkommen internationaler, länderübergreifender Netzwerke (das Internet inbegriffen) und der erleichterte Zugriff auf Technologie, die Gruppen und Einzelpersonen ein gewaltiges Vernichtungspotenzial an die Hand gibt (einst das Monopol von Regierungen), sind relativ neue Faktoren von historischer Größenordnung.

Im letzten Jahrhundert benötigten Männer wie Hitler, Stalin und Mao einen Staatsapparat, um ihr böses Werk verrichten zu können. Männer und Frauen ihres Schlags werden im 21. Jahrhundert weniger an den Machtbereich des Staates gebunden sein als ihre Vorgänger, und sie werden weniger als diese darauf angewiesen sein, sich industrielle Kapazitäten anzueignen, um ihre Schandtaten zu begehen. Zusehends fallen die Schranken, die Gruppierungen oder auch nur Individuen überwinden müssen, um unter ihren vermeintlichen Feinden verheerendes Unheil anzurichten.

Solchen terroristischen Gruppen entgegenzuwirken muss oberste Priorität haben. Die innere Abwehr nimmt einen neuen, wichtigeren Stellenwert ein; sie erfordert eine intelligente Kombination aus einer Politik der Stärke und "sanfter Macht". Gelänge es den terroristischen Gruppen, eine Reihe von Ereignissen auszulösen, die eine noch größere Zerstörung und soziale Verunsicherung als der 11. September zur Folge hätten, könnten sich das Meinungsbild und die Politik der USA dramatisch ändern, wobei sich die Richtung dieses Umschwungs allerdings schwer vorhersagen lässt. Der Isolationismus könnte ein Comeback erleben, aber eine Wende hin zu stärkerer Einbindung in die globalen Ereignisse wäre genauso denkbar.

Joseph S. Nye

Der Beitrag erschien erstmals am 21.08.2002 in der WELT.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion DIE WELT
und des Axel-Springer-Verlages.

© NPQ, LA Times Syndicate, Übersetzung: Ruth Keen
Joseph S. Nye Jr. ist Dekan der John F. Kennedy
School of Government an der Harvard- Universität. Unter Präsident Bill Clinton
war er im Verteidigungsministerium sowie als Vorsitzender
des Koordinierungsrats für die Geheimdienste tätig.

 

SPD-Fraktionschef Stiegler vergleicht US-Präsident mit Caesar

Am 07.09.2002 veröffentliche der "Münchner Merkur" noch um Mitternacht auf seiner Internet-Seite folgende Meldung der Deutschen Presse-Agentur (dpa):

München (dpa) - Im Streit um einen Militärschlag gegen den Irak hat SPD-Bundestagsfraktionschef Ludwig Stiegler die USA erneut scharf attackiert. Washington sehe sich als "das neue Rom" und ihre Verbündeten als "Verfügungsmasse", sagte er dem "Münchner Merkur". Präsident George W. Bush benehme sich, als sei er Caesar und Deutschland die Provincia Germania. Der Fraktionschef erneuerte auch seine Kritik an US-Botschafter Daniel Coats. Es sei "unerhört", wenn dieser meine, sich in die deutsche Innenpolitik einmischen zu können.

("Münchner Merkur" finden Sie online unter: www.merkur-online.de )




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