header

Interviews

Tendenzen Gespräch

Danièle Thoma, Köln

Ranicki

Danièle Thoma, Jahrgang 1953, nach Schule und College Bankkariere bis 1984. Ab 1984 bei RTL zuerst in Luxenburg dann in Köln, anfangs als Assistentin, dann Referentin und zuletzt als Leiterin des Bereichs International&Corporate Affairs. Seit 1999 Tätigkeit als Medienconsultant in Köln.

Gesellschaftliche Aufgaben und Ehrungen (Auszug):

Schirmherrin des RTL Spendenmarathon zugunsten von Kinderhilfsprojekten in aller Welt (1996), UNESCO Medienpreis (1997), Gründerin und Vorsitzende der "Stiftung RTL - Wir helfen Kindern e.V." (1997), Vorstandsvorsitzende der Yehudi Menuhin Stiftung Deutschland (1999), Mitglied im Ehrenkomitee der UNICEF Deutschland und "Good Will Ambassador" der UNICEF für die Ukraine (1999)



"Fernseh-Programm-Macher und alle Journalisten haben eine moralische Aufgabe! "

Danièle Thoma, die mit ihrem Ex-Mann Prof.Dr.Helmut Thoma maßgeblich am Aufbau des privaten Fernsehsenders RTL beteiligt war, über die oft zwiespältige Wechselbeziehung zwischen dem Fernsehprogramm und den Entwicklungen in der Gesellschaft und der Rolle der Kirchen dabei
Ranicki


Danilèle Thoma im Gespräch mit A.Schosch. (Foto: Werner Renz, Stimme der Hoffnung, Darmstadt)

TENDENZEN: Frau Thoma, in Ihrem Buch "Hochexplosiv" beschreiben Sie die Entstehung und die Entwicklung des Fernsehsenders RTL und die herausragende Rolle von Ihrem seinerzeitigen Mann, Dr. Helmut Thoma, die er dabei wahrgenommen hat. Auch wenn es in der Anfangszeit galt, das Publikumsinteresse zu wecken, verbinden viele Zuschauer RTL auch heute noch mit der schon längst abgesetzten Show "Tutti Frutti" (Ihre Namensidee!). Einige wollen wissen, dass solches Programm offensichtlich eine "Schmuddel-Neigung" im Menschen erst "schafft", andere meinen, diese sei ohnehin vorhanden und diese gelte es zu befriedigen. Wie sehen Sie das?

DANIÈLE THOMA: Sicherlich war die Sendung "Tutti Frutti" damals so etwas wie eine "Revolution" auf deutschen TV-Bildschirmen. Fast alle haben sie gesehen aber kaum einer hat sich öffentlich dazu bekannt. Eine Sendung mit "Schmuddel"-Charakter war es sicherlich nicht! Eher eine lustige Spiel-Show mit durchaus ästhetisch-erotischen Elementen der harmloseren Art: Hier ging es nicht um schlüpfrige Sex-Animation! Wenn hübsche junge Mädchen ihre Busen entblößen, braucht das Fernseh-Abendland nicht gleich zusammen zu brechen. Viel eher hat die Sendung vielleicht mit dazu beigetragen, gesellschaftliche Verklemmtheiten und Verspannungen zu überwinden und zu einem unkomplizierten und aufgeklärteren Umgang mit Sexualität beizutragen!

TENDENZEN: Aber viele Menschen empfanden es als einen Tabu-Bruch ähnlich dem Film "Die Sünderin", in dem vor über 50 Jahren Hildegard Knef für Sekundenbruchteile nackt zu sehen war. Danach wurden in schöner Regelmäßigkeit - nicht nur aber auch vom Fernsehen und immer öfters im Namen der Kunst, Tabu-Grenzen ausgelotet, um anschließend durchbrochen zu werden.

THOMA: Die Zeit in der wir die Sendung "Tutti-Frutti" begonnen hatten, war damals für einen solchen "Tabu-Bruch" durch das Fernsehen sicherlich reif. Vor allem durch die Studenten-Bewegung und die daran anschließende Frauen-Bewegung in den End-sechziger und folgenden siebziger Jahren war eine positive Liberalisierung der Gesellschaft intellektuell und politisch - praktisch ja schon vorbereitet worden. Mein Mann hat dies damals erkannt und mit seiner mutigen Programm-Entscheidung also nicht nur zu einer weiteren sinnvollen Veränderung des gesellschaftlichen Klimas in Deutschland beigetragen, sondern wohl auch entscheidend zum Start-Erfolg des anfänglich noch verfemten privaten Fernsehens! Wie ich in meinem Buch schreibe, hatte ich dadurch " ...das Erfolgsgeheimnis von Helmut Thoma kennengelernt: ein sicheres ´Bauchgefühl´ für erfolgreiches Programm, verbunden mit dem Mut zu unkonventionellen Entscheidungen".

TENDENZEN: Oder anders gefragt: Welche Ambivalenz besteht zwischen dem Zeitgeist und dem Fernsehprogramm? Wo und vor allem wie sollten Programmacher über die Gepflogenheiten berichten und wo schweigen? Welche Rolle spielt dabei die Konkurrenz?

THOMA: Die Rolle der Medien, also auch die des Fernsehens ist vor allem die der "Merker" und nicht die der "Macher". Meint also: Medien haben vorrangig zu berichten und zu registrieren. Veränderungen in einer Gesellschaft können sie allenfalls mit anstoßen, wenn der Boden dafür bereits bereitet ist. Natürlich befinden sich kommerziell arbeitende Medien in einer besonderen Konkurrenz-Situation. Auf die Kollegen von der Konkurrenz zu achten, darf aber nicht bedeuten, sie in jedem Fall in vordergründiger Gewalt- und Sensationsberichterstattung immer übertreffen zu wollen. Hier haben die Programmacher und alle Journalisten auch eine moralische Aufgabe, die ihnen in der Berufsausbildung immer wieder vermittelt werden sollte!

TENDENZEN: Empfinden Sie es als eher "gut" oder eher "schlecht", dass wir in der Bundesrepublik kaum Tabus im Bereich der öffentlichen Darstellung haben?

THOMA: Solange es die Menschen-Würde nicht verletzt, habe ich gegen eine ästhetische und unkomplizierte Darstellung von Sexualität in den Medien nichts einzuwenden. Schlimm finde ich dagegen die exzessive öffentliche Darstellung von Gewalt!

TENDENZEN: In Ihrem Buch bezeichnen Sie sich als "ein gläubiger Mensch". Wo hat Ihr Glaube einen festen Punkt?

THOMA: Ich bin katholisch erzogen und auch sehr gläubig, trenne aber die Institution Kirche von meinem Glauben. Ich bin der Überzeugung, dass es eine "Balance of Power" im Negativen wie Positiven gibt. Der Glaube besteht, solange es diese Balance zwischen Gut und Böse gibt. Die Existenz des "Schlechten" trägt gleichsam als Antithese auch immer die Möglichkeit des Guten in sich!

TENDENZEN: Die "Balance of Power" entspricht doch der fernöstlichen Philosophie mit ihrem Yin und Yang-Prinzip. Zuende gedacht, würde dann auch das Böse, im abendländisch-katholisch geprägtem Christentum als Satan personifiziert, die Möglichkeit des Guten in sich beinhalten. Das passt doch gar nicht zum christlichen Dualismus. Ist das noch "gläubig katholisch"?

THOMA: Ich glaube an einen Schöpfer und eine kosmische Gerechtigkeit. Das ist entscheidend für mich. Persönlich versuche ich nach dem Prinzip zu handeln: Tue das Gute, um dem Bösen keine Chance zu geben.

TENDENZEN: Sicherlich haben Kirchen oft Dinge für "Tabu" erklärt, die es gar nicht sind, womöglich nur um ihren Machtbereich zu schützen. Haben aus Ihrer Sicht Kirchen auch deshalb die Autorität in der Gesellschaft eingebüßt, weil sie in Sachen "Gewalt" oft nicht nachvollziehbare Positionen vertreten? Während am Erfurter Amoklauf das Fernsehen und die Video-Industrie mitschuldig sein sollten, töten Christen in Nordirland im Namen Gottes munter weiter, vom 11. September 2001 mit islamischen Hintergrund ganz zu schweigen.

THOMA: Da stimme ich Ihnen zu! Von der mittelalterlichen "Inquisition" bis heute zu "Nordirland" und der "Fremdbestimmung der Frauen bei der Geburten-Regelung" haben Kirchen über die Jahrhunderte leider oft widersprüchliche "Gewalt"-Positionen vertreten. Die Rechtfertigung von Terror-Anschlägen wie am 11. September 2001 durch Islamisten, die sich dabei auf Allah berufen, ist sicherlich eine der schlimmsten religiösen Fehlentwicklungen des beginnenden neuen Jahrhunderts!

Buchtipp:

Joachim Fest

Danièle Thoma
Hochexplosiv - Mein Leben mit Mister RTL

336 Seiten
Hoffmann & Campe Hamburg, 2001
€ 20,95,- (D) / € 21,60 (A) / SFR 37.00

ISBN : 3-455-09348-5

Die größte Erfolgsstory der neueren Mediengeschichte schrieb Helmut Thomas RTL. Danièle Thoma war von Anfang andabei. Die Geschichte eines stürmischen Frauenlebens und ein lustvoller und zugleich kritischer Blick hinter die Kulissen von RTL. In verschiedenen Funktionen gehörte sie zum Spitzenmanagement des Senders. Mit einer ausgeprägten Vorliebe für brisante Details schreibt die Autorin, die inzwischen getrennt von ihrem Mann lebt, über die Entwicklung von RTL: Wie konnte das kleine Fernsehunternehmen, das anfänglich kaum über Frequenzen noch über attraktive Spielfilme oder erfahrene Moderatoren verfügte, die "Giganten" ARD und ZDF bei den Einschaltquoten so schnell in Bedrängnis bringen?

Home | Impressum | Haftung