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Interviews

BUCHTIPP

Der Kuss des Papstes

Hans-Peter Raddatz - Orientalist, Systemanalytiker, Wirtschaftsfachmann - hat ein Buch veröffentlicht, das aufhorchen lässt:

Hier ertönt kein Schnellschuss, hier wird kein brandaktuelles Strohfeuer entfacht, das sich flugs in kalte Asche verwandelt. Den Leser erwartet ein Grundlagenwerk, das weder als leichte Kost mundgerecht zubereitet wurde, noch ausgependelt ist bis in jene goldige Mitte politischer Korrektheit, in der alles Gesagte nichtssagend, beliebig und sterbenslangweilig wird.

raddatzOhne reaktionären Contra-Fanatismus reagiert hier ein Autor auf den Vormarsch des politischen Islam, der es aus eigener Anschauung und intensivem Studium besser weiß als die Allerweltsgeneralisten des Feuilletonismus. Er tut es von einer deutlichen Position aus: der eines Katholiken, der gerade aus Glaubenstreue reichlich zweifelt und fast verzweifelt, wenn ihm die real existierende römische Kirche und etliche ihrer Protagonisten in den Sinn kommen. Gerade weil Raddatz der Aufklärung ihre kritisch-reinigende Funktion ungeschmälert zugesteht (nicht nur hier scheint zwischen den Zeilen immer mal wieder der Ex-Protestant durch), wirkt er glaubwürdig in der Katholizität seines Kirchenverständnisses und in seiner Weigerung, die Grundlagen des christlichen Glaubens auf dem Altar rationaler Nachprüfbarkeit zu opfern. Auch wer wie ich sein persönliches Christ-Sein protestantisch-agnostisch allein von der Gnade Gottes her begründet, liest all das mit Gewinn.

popEine Art Ausrufezeichen nach dem Text bildet das Foto auf dem hinteren Umschlag, entnommen aus "L'Orient et le jour" (Beirut) vom 14. 5. 1999. Es zeigt den Papst, wie er eine grüne Prachtausgabe des Korans küsst - eine Geste, die jeder Muslim nur als Unterwerfung unter den Vormachts- und Absolutheitsanspruch des Korans verstehen kann und die angesichts der anhaltenden, ja zunehmenden Christenverfolgungen in vielen Teilen der islamischen Welt (Saudi-Arabien, Sudan, Nigeria, Indonesien usw.) mehr als befremdet. ROLF STOLZ

Hans-Peter Raddatz:
"Von Gott zu Allah? Christentum und Islam in der liberalen Fortschrittsgesellschaft" (2. aktualisierte Auflage)
Herbig-Verlag, München 2001, 528 Seiten, 68 Mark


Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion "DIE WELT". Der Beitrag ist aus Platzgründen gekürzt. Die vollständige Fassung können Sie im Internet unter http://www.welt.de/daten/2001/11/01/1101de292713.htx finden!

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