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Interviews

Tendenzen Gespräch

Dr. Hans-Peter Raddatz, München

Joachim Fest
Dr. Hans-Peter Raddatz (Jahrgang 1941), promovierter Orientalist und Volkswirt sowie selbständiger Systemanalytiker, vertrat über viele Jahre die Nahostinteressen internationaler Banken und Unternehmen. Orientalische Forschung, naturwissenschaftliche Systemanalyse und praktische Nahosterfahrungen verbinden sich in vorliegender Arbeit zu einer spezifischen Form der "rationalen Gesellschaftsanalyse". Einschlägige Fachkompetenz schlägt sich in zahlreichen Publikationen und Vorträgen zum Themenkreis sowie in der Funktion als Co-Autor der renommierten "Encyclopedia of Islam", des Standardwerkes der internationalen Orientalistik, nieder.

"Dieser Papst hat den katholischen Glauben mehr verändert als alle Päpste vor ihm - zusammen!"

Orientalist Hans-Peter Raddatz über die aktuelle Lage zwischen Christentum und Islam nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und die schleichende aber doch gezielte Veränderung des römisch-katholischen Glaubens unter dem Pontifikat des Johannes Paul II.
Joachim Fest

Interview Dr. Hans-Peter Raddatz

TENDENZEN: Bereits kurz nach den Anschlägen vom 11. September gaben einige Bedenkenträger zu Protokoll, daß man in der Diskussion sehr wohl unterscheiden müsse zwischen "Mohamedanern" und "Islamisten". Was halten die wirklichen Fachleute - und Sie gehören als promovierter Orientalist dazu - davon?

DR. RADDATZ: Es gehört inwischen zu den etablierten Dogmen des "Dialogs mit dem Islam", daß zum einen dieser nicht nur tolerant, sondern mit Frieden schlechthin identisch ist, und zum anderen der Islamismus mit dem Islam nicht nur nichts zu tun habe, sondern ihn mit seinen Gewalttaten "in Verruf bringe." Wie haben es hier mit dem Beginn einer klassisch-totalitären Ideologie zu tun, die sich auf eine selbst-geschaffene Realität in Form einer heilsträchtigen Utopie stützt. Letztere besteht in der Fiktion eines toleranten Islam, unter dessen universaler Friedensbotschaft sich im Prinzip die gesamte Menschheit versammeln kann und soll. Dieses Heilsziel füllt einerseits das Vakuum des postmodernen Werteverfalls, andererseits erfüllt es die Anforderungen der islamistischen Expansion, ihren Ansiedlungsformen in Europa "Respekt" zu zollen.

TENDENZEN: Unsere Politiker äußern sich erstaunlich zurückhaltend. Hängt das womöglich mit der Tatsache zusammen, daß in unserer Wirtschaft Milliarden von sogenannten arabischen "Petro-Dollars" stecken?

DR. RADDATZ: Aber selbstverständlich! Da hier zudem auch handfeste Wirtschaftsinteressen involviert sind, und erhebliche Fördermittel aus der Golfregion kommen, nimmt es nicht wunder, daß nach dem 11. September alle Führungsebenen in Deutschland urplötzlich auf die Linie des Zentralrats der Muslime einschwenkten. Dieses Gremium wird seit Jahren aus saudischen Quellen finanziert und steht unter Leitung des islamistischen Muslimbruders Nadim Elias, dessen in der Bilalmoschee in Aachen ablaufenden Aktivitäten hinwiederum seit Jahren das Interesse des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes auf sich ziehen. Der deutsche Islamdialog - ob idealistisch oder korrupt - wirkt sich in der Praxis als islamistische Interessenvertretung aus, welche zur eigenen Machtsicherung auf Basis der toleranten Islamfiktion jede Mitsprache der Bevölkerung, ironischerweise auch das Recht der breiten Muslim-Mehrheit auf Religionsfreiheit, ausgrenzen muß.

TENDENZEN: Hat der Islam mit den Anschlägen sein wahres Gesicht gezeigt oder handelt es sich bei den Tätern um ein paar Wirrköpfe?

DR. RADDATZ: Wie ich gerade erwähnte, hat sich schon im Vorfeld der Terrorakte die Herausbildung effizienter Netzwerke islamischer Glaubenskrieger angebahnt, deren Spuren bekanntlich auch nach Deutschland führten. Einen entscheidenden Fehler sollte man allerdings vermeiden, nämlich den, diese Leute als Wirrköpfe zu unter-schätzen. Es handelt sich hier ganz im Gegenteil um hochprofessionelle und hochmotivierte Fachleute, die in logistisch perfekter Abstimmung langfristige Maßnahmen gegen bestimmte Ziele planen. Der Islam steht dabei als religiös-politische Machtstruktur im Hintergrund, deren historisch gewachsene Tradition sich immer wieder dann besondere Geltung verschafft hat, wenn besonders günstige Umstände zusammentrafen.

TENDENZEN: In einer Sendung des Istambuler Fernsehens ATV sagte am 29. Dezember 2001 der bekannte türkische (schiitische) Professor für öffentliches Recht an der Istanbuler Uni, Hüsein Hatemi: "Es gibt keinen Menschen in der westlichen Welt, der dem Islam einen größeren Dienst erwiesen hat als der Papst!" Das klingt doch nicht nur für katholische Ohren paradox. Was meint der Mann damit und wie sehen Sie das?

DR. RADDATZ: Diese Aussagen kann nur für diejenigen paradox klingen, die den Papst und sein Amt mit dem christlichen Glauben gleichsetzen. Es ist ja gerade dieser historisch gewachsene Kadavergehorsam, der viele sogenannte "Katholiken" zwingt, jeweils das, was die Päpste im Laufe der Geschichte von sich gegeben haben, für Christentum zu halten. Die Vollmacht dieses Amtes beruht allein auf der Weitergabe des Evangeliums. Genau dieser Aufgabe wird der aktuelle Papst nicht gerecht.

TENDENZEN: Sondern ?

DR. RADDATZ: Er vollzieht das Programm des 2. Vatikanischen Konzils, das als zentrales Identitäts-merkmal der Christen zu erkennen glaubt, daß "wir mit den Muslimen den einen Gott anbeten". Er verneigte sich 1979 "in Ehrfurcht" vor dem Massenmörder Khomeini, er umarmte 1993 den Massenmörder Turabi, er lehnte 1996 das Frauenpriesteramt ab, "weil es den Dialog mit dem Islam blockiert" und flehte im "Heiligen Jahr" 2000 Johannes den Täufer an, "den Islam zu behüten".

TENDENZEN: Ein unglaubliches Bild ging 1999 um die Welt: Der Führer von einer Milliarde römisch-katholischer Christen küsst den Koran! Ein Treppenwitz der Kirchengeschichte, oder?

DR. RADDATZ: Eigentlich nicht, den vor diesem Hintergrund kann nicht erstaunen, daß seine Reaktionen auf die jüngsten Massaker an Christen in Sudan und Indonesien sowie die Katastrophe von New York allenfalls in Aufrufen zu "Respekt vor dem authentischen Islam" bestehen konnten. Ein solches Verhalten hat offenbar nur noch bedingt mit Christentum, sehr viel allerdings mit einer zunehmenden Hinwendung zum Islam zu tun. Diese bemerkenswerte Tendenz, die ich als "Chrislam" bezeichne, wirkt sich natürlich - insbesondere im Mißbrauch des Papstamtes - in einer massiven Interessenwahrung für den Islam aus. Auf diese spielt Professor Hatemi in seiner Aussage mit Recht an.

TENDENZEN: Spätestens seit Vaticanum II präsentiert sich die Römisch-Katholische Kirche als Statthalterin einer dialogfähigen Religion. Das Neue Testament enthält aber das Bekenntnis des Petrus, auf dessen Stuhl im übertragenen Sinne Johannes Paul II. zu sitzen glaubt, wonach außer Jesus Christus kein Name unter dem Himmel gegeben ist, das Menschen selig machen kann. Wo sehen Sie die Grenzen des Dialogs aus christlicher Sicht?

DR. RADDATZ: Wir hatten schon das Problem des gemeinsamen Gottesbegriffs in Verbindung mit dem Mißbrauch des Papstamtes angesprochen. Historisch wurde dieser Mißbrauch sozusagen zum Markenzeichen des Papsttums, weil er durch einen eingeschliffenen Gehorsamsreflex klerikal institutionalisiert wurde. Glaube in der Amtskirche besteht zunächst einmal in der Unterwerfung unter die Forderungen des Papstes, unabhängig von deren Inhalten. Die Geschichte der Kirche ist voll von Beispielen des Synkretismus, der Bereicherung, der Amtsanmaßung und der Gewalt im Namen des dreieinigen Gottes. Gegenbewegungen, welche die Rechte Jesu einforderten, wurden als Häresien unterdrückt oder - wie die großen Orden des Mittelalters - für die inquisitorisch gesteigerte Gewalt der Päpste instrumentalisiert.

TENDENZEN: Klingt fast nach einem neuen "Dialog-Dogma" ?

DR. RADDATZ: Ja, denn der vom Papst gesteuerte Dialog mit dem Islam verfährt nicht anders. So wie Mani für den Manichäismus und Muhammad für den Islam behaupteten, daß die ihnen jeweils vorangehende Zeit eine solche der Unwissenheit und Verfälschung gewesen sei, so hat der Dialog das Quasi-Dogma entwickelt, daß jeder "Rückfall hinter das Konzil" mit Unglaube gleichzusetzen ist. Da im Zentrum der nachkonziliaren Zeit, die somit die Aura einer neuen Religion annimmt, der gemeinsame Gottesbegriff mit dem Islam steht, befindet sich der gesamte Gehorsamsapparat der Kirche auf dem Weg in eine Verfaßtheit, die sie dem Islam zwangsläufig verähnlichen muß. Viele Geistliche berufen sich immer häufiger auf Worte des Koran, und auch in Kult und Ritus meinen inzwischen etliche Pfarrer, auf die Integration islamischer Elemente nicht verzichten zu können.

TENDENZEN: Und die neutestamentliche Wahrheit bleibt auf der Strecke...

DR. RADDATZ: Dies sind logische Folgen der in der Theologie seit langem erhobenen Forderung, "daß die christliche Wahrheit unbrauchbar für den Dialog mit dem Islam ist", sowie der koranischen Wahrheit, nach der "diejenigen ungläubig sind, die sagen, Gott (Allah) sei Christus, der Sohn Marias (5/17) bzw. behaupten, daß Gott "einer von dreien" ist (5/73). Hier bahnt sich eine fundamentale Angleichung an den Islam im Verzicht auf den Gottmenschen Jesus Christus im Zentrum des trinitarischen Gottes an. Daß man in dieser islamorientierten Mutation zugleich koranischen Drohungen und Schmähungen aus dem Wege gehen zu können glaubt, nach denen Christen als "Schmutz" gelten (9/28), zu bekämpfen (48/16) und bei Uneinsichtigkeit schließlich zu töten sind (47/4), erscheint in der Islamillusion des Dialogs offensichtlich als dem Heilsziel angemessene Nebenwirkung. So ist für den aufmerksamen Beobachter schon lange ersichtlich: Dieser Papst hat während seines Pontifikats den katholischen Glauben mehr verändert als alle Päpste vor ihm - zusammen!

Buchtipp:

Der Kuss des Papstes

Hans-Peter Raddatz - Orientalist, Systemanalytiker, Wirtschaftsfachmann - hat ein Buch veröffentlicht, das aufhorchen lässt:

Hier ertönt kein Schnellschuss, hier wird kein brandaktuelles Strohfeuer entfacht, das sich flugs in kalte Asche verwandelt. Den Leser erwartet ein Grundlagenwerk, das weder als leichte Kost mundgerecht zubereitet wurde, noch ausgependelt ist bis in jene goldige Mitte politischer Korrektheit, in der alles Gesagte nichtssagend, beliebig und sterbenslangweilig wird.

raddatzOhne reaktionären Contra-Fanatismus reagiert hier ein Autor auf den Vormarsch des politischen Islam, der es aus eigener Anschauung und intensivem Studium besser weiß als die Allerweltsgeneralisten des Feuilletonismus. Er tut es von einer deutlichen Position aus: der eines Katholiken, der gerade aus Glaubenstreue reichlich zweifelt und fast verzweifelt, wenn ihm die real existierende römische Kirche und etliche ihrer Protagonisten in den Sinn kommen. Gerade weil Raddatz der Aufklärung ihre kritisch-reinigende Funktion ungeschmälert zugesteht (nicht nur hier scheint zwischen den Zeilen immer mal wieder der Ex-Protestant durch), wirkt er glaubwürdig in der Katholizität seines Kirchenverständnisses und in seiner Weigerung, die Grundlagen des christlichen Glaubens auf dem Altar rationaler Nachprüfbarkeit zu opfern. Auch wer wie ich sein persönliches Christ-Sein protestantisch-agnostisch allein von der Gnade Gottes her begründet, liest all das mit Gewinn.

popEine Art Ausrufezeichen nach dem Text bildet das Foto auf dem hinteren Umschlag, entnommen aus "L'Orient et le jour" (Beirut) vom 14. 5. 1999. Es zeigt den Papst, wie er eine grüne Prachtausgabe des Korans küsst - eine Geste, die jeder Muslim nur als Unterwerfung unter den Vormachts- und Absolutheitsanspruch des Korans verstehen kann und die angesichts der anhaltenden, ja zunehmenden Christenverfolgungen in vielen Teilen der islamischen Welt (Saudi-Arabien, Sudan, Nigeria, Indonesien usw.) mehr als befremdet. ROLF STOLZ

Hans-Peter Raddatz:
"Von Gott zu Allah? Christentum und Islam in der liberalen Fortschrittsgesellschaft" (2. aktualisierte Auflage)
Herbig-Verlag, München 2001, 528 Seiten, 68 Mark


Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion "DIE WELT". Der Beitrag ist aus Platzgründen gekürzt. Die vollständige Fassung können Sie im Internet unter http://www.welt.de/daten/2001/11/01/1101de292713.htx finden!

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