Dr.               Hans-Peter Raddatz (Jahrgang 1941), promovierter Orientalist und               Volkswirt sowie selbständiger Systemanalytiker, vertrat über               viele Jahre die Nahostinteressen internationaler Banken und Unternehmen.               Orientalische Forschung, naturwissenschaftliche Systemanalyse und               praktische Nahosterfahrungen verbinden sich in vorliegender Arbeit               zu einer spezifischen Form der "rationalen Gesellschaftsanalyse".               Einschlägige Fachkompetenz schlägt sich in zahlreichen Publikationen               und Vorträgen zum Themenkreis sowie in der Funktion als Co-Autor               der renommierten "Encyclopedia of Islam", des Standardwerkes               der internationalen Orientalistik, nieder.
 
  
  
    TENDENZEN: Bereits kurz nach den Anschlägen vom 11. September gaben einige Bedenkenträger           zu Protokoll, daß man in der Diskussion sehr wohl unterscheiden           müsse zwischen "Mohamedanern" und "Islamisten".           Was halten die wirklichen Fachleute - und Sie gehören als promovierter           Orientalist dazu - davon?
    DR. RADDATZ: Es gehört           inwischen zu den etablierten Dogmen des "Dialogs mit dem Islam",           daß zum einen dieser nicht nur tolerant, sondern mit Frieden schlechthin           identisch ist, und zum anderen der Islamismus mit dem Islam nicht nur           nichts zu tun habe, sondern ihn mit seinen Gewalttaten "in Verruf           bringe." Wie haben es hier mit dem Beginn einer klassisch-totalitären           Ideologie zu tun, die sich auf eine selbst-geschaffene Realität in           Form einer heilsträchtigen Utopie stützt. Letztere besteht in           der Fiktion eines toleranten Islam, unter dessen universaler Friedensbotschaft           sich im Prinzip die gesamte Menschheit versammeln kann und soll. Dieses           Heilsziel füllt einerseits das Vakuum des postmodernen Werteverfalls,           andererseits erfüllt es die Anforderungen der islamistischen Expansion,           ihren Ansiedlungsformen in Europa "Respekt" zu zollen. 
    TENDENZEN: Unsere           Politiker äußern sich erstaunlich zurückhaltend. Hängt           das womöglich mit der Tatsache zusammen, daß in unserer Wirtschaft           Milliarden von sogenannten arabischen "Petro-Dollars" stecken?  
    DR. RADDATZ: Aber selbstverständlich!           Da hier zudem auch handfeste Wirtschaftsinteressen involviert sind, und           erhebliche Fördermittel aus der Golfregion kommen, nimmt es nicht           wunder, daß nach dem 11. September alle Führungsebenen in Deutschland           urplötzlich auf die Linie des Zentralrats der Muslime einschwenkten.           Dieses Gremium wird seit Jahren aus saudischen Quellen finanziert und           steht unter Leitung des islamistischen Muslimbruders Nadim Elias, dessen           in der Bilalmoschee in Aachen ablaufenden Aktivitäten hinwiederum           seit Jahren das Interesse des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes           auf sich ziehen. Der deutsche Islamdialog - ob idealistisch oder korrupt           - wirkt sich in der Praxis als islamistische Interessenvertretung aus,           welche zur eigenen Machtsicherung auf Basis der toleranten Islamfiktion           jede Mitsprache der Bevölkerung, ironischerweise auch das Recht der           breiten Muslim-Mehrheit auf Religionsfreiheit, ausgrenzen muß.
    TENDENZEN: Hat der           Islam mit den Anschlägen sein wahres Gesicht gezeigt oder handelt           es sich bei den Tätern um ein paar Wirrköpfe?
    DR. RADDATZ: Wie ich           gerade erwähnte, hat sich schon im Vorfeld der Terrorakte die Herausbildung           effizienter Netzwerke islamischer Glaubenskrieger angebahnt, deren Spuren           bekanntlich auch nach Deutschland führten. Einen entscheidenden Fehler           sollte man allerdings vermeiden, nämlich den, diese Leute als Wirrköpfe           zu unter-schätzen. Es handelt sich hier ganz im Gegenteil um hochprofessionelle           und hochmotivierte Fachleute, die in logistisch perfekter Abstimmung langfristige           Maßnahmen gegen bestimmte Ziele planen. Der Islam steht dabei als           religiös-politische Machtstruktur im Hintergrund, deren historisch           gewachsene Tradition sich immer wieder dann besondere Geltung verschafft           hat, wenn besonders günstige Umstände zusammentrafen.
    TENDENZEN: In einer           Sendung des Istambuler Fernsehens ATV sagte am 29. Dezember 2001 der bekannte           türkische (schiitische) Professor für öffentliches Recht           an der Istanbuler Uni, Hüsein Hatemi: "Es gibt keinen Menschen           in der westlichen Welt, der dem Islam einen größeren Dienst           erwiesen hat als der Papst!" Das klingt doch nicht nur für katholische           Ohren paradox. Was meint der Mann damit und wie sehen Sie das?
    DR. RADDATZ: Diese Aussagen           kann nur für diejenigen paradox klingen, die den Papst und sein Amt           mit dem christlichen Glauben gleichsetzen. Es ist ja gerade dieser historisch           gewachsene Kadavergehorsam, der viele sogenannte "Katholiken"           zwingt, jeweils das, was die Päpste im Laufe der Geschichte von sich           gegeben haben, für Christentum zu halten. Die Vollmacht dieses Amtes           beruht allein auf der Weitergabe des Evangeliums. Genau dieser Aufgabe           wird der aktuelle Papst nicht gerecht. 
    TENDENZEN: Sondern           ?
    DR. RADDATZ: Er vollzieht           das Programm des 2. Vatikanischen Konzils, das als zentrales Identitäts-merkmal           der Christen zu erkennen glaubt, daß "wir mit den Muslimen           den einen Gott anbeten". Er verneigte sich 1979 "in Ehrfurcht"           vor dem Massenmörder Khomeini, er umarmte 1993 den Massenmörder           Turabi, er lehnte 1996 das Frauenpriesteramt ab, "weil es den Dialog           mit dem Islam blockiert" und flehte im "Heiligen Jahr"           2000 Johannes den Täufer an, "den Islam zu behüten". 
    TENDENZEN: Ein unglaubliches           Bild ging 1999 um die Welt: Der Führer von einer Milliarde römisch-katholischer           Christen küsst den Koran! Ein Treppenwitz der Kirchengeschichte,           oder?
    DR. RADDATZ: Eigentlich           nicht, den vor diesem Hintergrund kann nicht erstaunen, daß seine           Reaktionen auf die jüngsten Massaker an Christen in Sudan und Indonesien           sowie die Katastrophe von New York allenfalls in Aufrufen zu "Respekt           vor dem authentischen Islam" bestehen konnten. Ein solches Verhalten           hat offenbar nur noch bedingt mit Christentum, sehr viel allerdings mit           einer zunehmenden Hinwendung zum Islam zu tun. Diese bemerkenswerte Tendenz,           die ich als "Chrislam" bezeichne, wirkt sich natürlich           - insbesondere im Mißbrauch des Papstamtes - in einer massiven Interessenwahrung           für den Islam aus. Auf diese spielt Professor Hatemi in seiner Aussage           mit Recht an.
    TENDENZEN: Spätestens           seit Vaticanum II präsentiert sich die Römisch-Katholische Kirche           als Statthalterin einer dialogfähigen Religion. Das Neue Testament           enthält aber das Bekenntnis des Petrus, auf dessen Stuhl im übertragenen           Sinne Johannes Paul II. zu sitzen glaubt, wonach außer Jesus Christus           kein Name unter dem Himmel gegeben ist, das Menschen selig machen kann.           Wo sehen Sie die Grenzen des Dialogs aus christlicher Sicht?
    DR. RADDATZ: Wir hatten           schon das Problem des gemeinsamen Gottesbegriffs in Verbindung mit dem           Mißbrauch des Papstamtes angesprochen. Historisch wurde dieser Mißbrauch           sozusagen zum Markenzeichen des Papsttums, weil er durch einen eingeschliffenen           Gehorsamsreflex klerikal institutionalisiert wurde. Glaube in der Amtskirche           besteht zunächst einmal in der Unterwerfung unter die Forderungen           des Papstes, unabhängig von deren Inhalten. Die Geschichte der Kirche           ist voll von Beispielen des Synkretismus, der Bereicherung, der Amtsanmaßung           und der Gewalt im Namen des dreieinigen Gottes. Gegenbewegungen, welche           die Rechte Jesu einforderten, wurden als Häresien unterdrückt           oder - wie die großen Orden des Mittelalters - für die inquisitorisch           gesteigerte Gewalt der Päpste instrumentalisiert. 
    TENDENZEN: Klingt           fast nach einem neuen "Dialog-Dogma" ?
    DR. RADDATZ: Ja, denn           der vom Papst gesteuerte Dialog mit dem Islam verfährt nicht anders.           So wie Mani für den Manichäismus und Muhammad für den Islam           behaupteten, daß die ihnen jeweils vorangehende Zeit eine solche           der Unwissenheit und Verfälschung gewesen sei, so hat der Dialog           das Quasi-Dogma entwickelt, daß jeder "Rückfall hinter           das Konzil" mit Unglaube gleichzusetzen ist. Da im Zentrum der nachkonziliaren           Zeit, die somit die Aura einer neuen Religion annimmt, der gemeinsame           Gottesbegriff mit dem Islam steht, befindet sich der gesamte Gehorsamsapparat           der Kirche auf dem Weg in eine Verfaßtheit, die sie dem Islam zwangsläufig           verähnlichen muß. Viele Geistliche berufen sich immer häufiger           auf Worte des Koran, und auch in Kult und Ritus meinen inzwischen etliche           Pfarrer, auf die Integration islamischer Elemente nicht verzichten zu           können. 
    TENDENZEN: Und die           neutestamentliche Wahrheit bleibt auf der Strecke...
    DR. RADDATZ: Dies sind           logische Folgen der in der Theologie seit langem erhobenen Forderung,           "daß die christliche Wahrheit unbrauchbar für den Dialog           mit dem Islam ist", sowie der koranischen Wahrheit, nach der "diejenigen           ungläubig sind, die sagen, Gott (Allah) sei Christus, der Sohn Marias           (5/17) bzw. behaupten, daß Gott "einer von dreien" ist           (5/73). Hier bahnt sich eine fundamentale Angleichung an den Islam im           Verzicht auf den Gottmenschen Jesus Christus im Zentrum des trinitarischen           Gottes an. Daß man in dieser islamorientierten Mutation zugleich           koranischen Drohungen und Schmähungen aus dem Wege gehen zu können           glaubt, nach denen Christen als "Schmutz" gelten (9/28), zu           bekämpfen (48/16) und bei Uneinsichtigkeit schließlich zu töten           sind (47/4), erscheint in der Islamillusion des Dialogs offensichtlich           als dem Heilsziel angemessene Nebenwirkung. So ist für den aufmerksamen           Beobachter schon lange ersichtlich: Dieser Papst hat während seines           Pontifikats den katholischen Glauben mehr verändert als alle Päpste           vor ihm - zusammen!
   
 
  
  
  
    Der           Kuss des Papstes
    Hans-Peter           Raddatz - Orientalist, Systemanalytiker, Wirtschaftsfachmann - hat ein           Buch veröffentlicht, das aufhorchen lässt:
     Hier ertönt           kein Schnellschuss, hier wird kein brandaktuelles Strohfeuer entfacht,           das sich flugs in kalte Asche verwandelt. Den Leser erwartet ein Grundlagenwerk,           das weder als leichte Kost mundgerecht zubereitet wurde, noch ausgependelt           ist bis in jene goldige Mitte politischer Korrektheit, in der alles Gesagte           nichtssagend, beliebig und sterbenslangweilig wird. 
    	
Ohne reaktionären Contra-Fanatismus           reagiert hier ein Autor auf den Vormarsch           des politischen Islam, der es aus eigener Anschauung und intensivem Studium           besser weiß als die Allerweltsgeneralisten des Feuilletonismus.           Er tut es von einer deutlichen Position aus: der eines Katholiken, der           gerade aus Glaubenstreue reichlich zweifelt und fast verzweifelt, wenn           ihm die real existierende römische Kirche und etliche ihrer Protagonisten           in den Sinn kommen. Gerade weil Raddatz der Aufklärung ihre kritisch-reinigende           Funktion ungeschmälert zugesteht (nicht nur hier scheint zwischen           den Zeilen immer mal wieder der Ex-Protestant durch), wirkt er glaubwürdig           in der Katholizität seines Kirchenverständnisses und in seiner           Weigerung, die Grundlagen des christlichen Glaubens auf dem Altar rationaler           Nachprüfbarkeit zu opfern. Auch wer wie ich sein persönliches           Christ-Sein protestantisch-agnostisch allein von der Gnade Gottes her           begründet, liest all das mit Gewinn.
    
Eine           Art Ausrufezeichen nach dem Text bildet das Foto auf dem hinteren Umschlag,           entnommen aus "L'Orient et le jour" (Beirut) vom 14. 5. 1999.           Es zeigt den Papst, wie er eine grüne Prachtausgabe des Korans küsst           - eine Geste, die jeder Muslim nur als Unterwerfung unter den Vormachts-           und Absolutheitsanspruch des Korans verstehen kann und die angesichts           der anhaltenden, ja zunehmenden Christenverfolgungen in vielen Teilen           der islamischen Welt (Saudi-Arabien, Sudan, Nigeria, Indonesien usw.)           mehr als befremdet. ROLF STOLZ
    
    Hans-Peter           Raddatz:
  "Von Gott zu Allah? Christentum und Islam in der liberalen Fortschrittsgesellschaft"           (2. aktualisierte Auflage) 
      Herbig-Verlag, München 2001, 528 Seiten, 68 Mark
    
         Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion "DIE WELT". Der           Beitrag ist aus Platzgründen gekürzt. Die vollständige           Fassung können Sie im Internet unter http://www.welt.de/daten/2001/11/01/1101de292713.htx finden!