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Interviews

EDITORIAL

Der Glaube der Ungläubigen

Liebe Leserin, lieber Leser,

in schöner Gewohnheit machen die Nachrichtenmagazine (DER SPIEGEL und FOCUS) und Illustrierten ("stern") alle Jahre wieder vor großen christlichen Festen, wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten, ein religiöses Thema zum Mittelpunkt ihrer Berichterstattung. So auch DER SPIEGEL in der Nr. 52 vom 22. Dezember 2001 mit dem Titel: "Der Glaube der Ungläubigen". Mit "Ungläubigen" sind Christen gemeint, da sie eben aus der Sicht des Korans "die Ungläubigen" sind.

pm

Die SPIEGEL-Redaktion faßte in einem brillant geschriebenen Beitrag die Diskussion um die westlichen Werte zusammen. Es war dort viel über Plato, Sokrates, Luther, Goethe und Kant zu lesen, und am Ende stellten die Redakteure, vor dem Hintergrund des Terroranschlags vom 11. September 2001, fest, "...wurden jene Werte unwillkürlich spürbar, um die es nicht nur im Westen geht: die Freiheit, ein menschenwürdiges, wenn nicht glückliches Leben zu führen und dessen Sinn auf eigenen, undogmatischen Wegen zu erkunden - und der Respekt vor dem Anderen".

Nicht gerade viel für ein Kernland des christlichen Abendlandes, und unser deutsches Vaterland, das Ursprungsland der Reformation.

Schon fällt den Beobachtern immer häufiger auf, das Religiöse kehrt zurück. Aber wird nicht die Rückkehr der Menschen zum Glauben, die Kirchen womöglich vor neue Probleme stellen? Haben diese die noch immer gültigen Antworten auf die Sinn-Fragen parat? Zwei Nachrichten dazu, die gegensätzlicher nicht sein können:

Nachricht 1
Rom, 14. Mai 1999: Papst Johannes Paul II. küsst ein kunstvoll eingebundenes Exemplar des Koran, das er gerade geschenkt bekam.

Nachricht 2
Unter der Überschrift "Ärger um Luthers Bibel" berichtete DIE WELT am 13. November 2001 u.a.: "... der Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands [hat] empfohlen, bei ökumenischen Anlässen neben der ‚Einheitsübersetzung' von 1980 (ins Werk gesetzt von den deutschsprachigen katholischen Diözesen mit evangelischer Beteiligung) auch die Lutherbibel (revidierter Text von 1984) zu gebrauchen. ‚Äußerst irritierend', urteilt der Kölner Kardinal Joachim Meisner über den Rat, nennt ihn einen ‚erheblichen Rückschritt' für die Ökumene und sieht eine ‚Entfremdung auf menschlicher Ebene'. Warum nur? Nur weil in Gottesdiensten in Deutschland auch aus einem der bedeutendsten literarischen Werke des Landes zitiert werden soll? Wenn bereits dies, als ideologische Kriegserklärung gedeutet, die Ökumene beschädigen kann, wie sollen wir da nur jemals in einen vorurteilsfreien Dialog mit dem Islam oder anderen Religionen treten? Ob Kardinal Meisner da einen Rat weiß?"

Menschen, die in die Kirchen zurück wollen, suchen Orientierung. Werden sie diese finden?

Vor fast 450 Jahren - 1557 - gab der Erzbischof von Toledo einer suchenden Seele eine Orientierung und bekam ein Problem. Dem sterbenden Kaiser Karl V. reichte er im Kloster von San Jeronimo de Yuste in der Todesstunde das Kruzifix mit den Worten: "Majestät, denken Sie an Christus, alles andere ist Geschwätz." Dieser Hinweis auf die allein entscheidende Quelle der Gnade schien der Inquisition verrucht protestantisch, was eine Verurteilung des Bischofs zu langjähriger Kerkerhaft nach sich zog.

Denken Sie an Christus, alles andere ist Geschwätz.

Und wenn ich dafür ins Gefängnis muß.

Herzlichst

Herzlichst
Ihr
A.Schosch

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