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Gottvergessen

Stuermer

Raimund Kirch, geb. 1951 in Burgkunstadt, volontierte bei der in Bamberg erscheinenden Zeitung "Fränkischer Tag". Seit 1981 ist er innenpolitischer Redakteur bei der Nürnberger Zeitung, Schwerpunkte: Kirche und Soziales.









Von Raimund Kirch


Allah u akbar - Gott ist groß. Nicht von einem Minarett erscholl dieser Ruf, sondern über die Ränge des New Yorker Yankee-Stadions hinweg. Dort saßen die Hinterbliebenen der von Terroristen getöteten Opfer. Und niemand, niemand stand auf, um dagegen die Stimme zu erheben. Im Gegenteil. Beifall für den Imam und sein Gebet.

Dies ist das Wunder nach den scheußlichen Anschlägen vom 11. September: Dass von ein paar Übergriffen auf Muslime abgesehen die Schuld an dem Massenmord nicht dem Islam angelastet wird; dass die Menschen nicht in der Religion den treibenden Motor des Terrors sehen; dass der interreligiöse Dialog im Westen sogar noch verstärkt wird. Das zeigte auch die Reaktion der katholischen Bischofskonferenz. Klugheit, Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein wurden angemahnt.

Wer darin billige Beschwichtigung sieht, liegt falsch. Vielmehr zeigt sich - allen Unkenrufen zum Trotz - die Vitalität der christlichen Welt. Wie selten in den letzten Jahren waren die Menschen wieder in die Kirchen geströmt, wurden Trost und Zuspruch gesucht.

Dabei wird durchaus zur Kenntnis genommen, dass die Drahtzieher dem islamischen Kulturkreis zuzurechnen sind. Dass sie sich mit Kalaschnikow und Koran abbilden lassen. Damit einher gehen viele Fragen: Warum hat die islamische Kultur, die einst dem Abendland so viele Impulse in Wissenschaft und Philosophie gegeben hat, an Bedeutung verloren? Warum gibt es in der islamischen Welt kaum einen Staat mit einem funktionierenden demokratischen System? Warum erscheint uns die Verquickung von islamischem Recht und Staat so verbohrt und oft auch grausam? Ist es der Rigorismus, der die islamische Welt ins Hintertreffen geraten ließ und einen Minderwertigkeitskomplex nährte, der in blinden Hass gegen den Westen umschlug?

Mit ihrem Aufruf zur Besonnenheit rufen die katholischen Bischöfe auch zur Gewissenserforschung auf. Dies ist gute christliche Tradition. Schließlich hat der real existierende Westen ja nicht unbedingt eine reine Weste. Vom Land, das Kant und Goethe hervorbrachte, ging der Judenmord aus. Die Vereinigten Staaten mussten in ihrer 225-jährigen Geschichte Phasen der Vertreibung und der Dezimierung der Indianer überwinden. Sie kannten Sklaverei wie auch Apartheid bis ins letzte Jahrhundert hinein. Und die US-Außenpolitik war häufig eben nicht an Menschenrechten orientiert, sondern an militärischen und ökonomischen Interessen.

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