Mainhardt               Graf von Nayhauß-Cormons,               geboren 1926 als Sohn eines Offiziers in Berlin, wo er - mit Ausnahme               von zwei Jahren Kriegsdienst - bis 1956 lebte und zunächst bei               den Nachrichten für Außenhandel Wirtschaftsjournalismus               erlernte. Dann Übersiedlung nach Bonn und Korrespondent verschiedener               Tages- und Wochenzeitungen, sehr bald als politischer Korrespondent.               Unter anderem für SPIEGEL, STERN, BUNTE, Die WELT, WELT am SONNTAG,               WIRTSCHAFTSWOCHE. Seit 1981 schreibt er in Europas größter               Tageszeitung, in BILD, viermal wöchentlich eine Kolumne über               das Geschehen am Regierungs- und Parlamentssitz - seit 1999 unter               dem Titel "Berlin vertraulich". Es ist mit etwa 9 Millionen               Lesern die meistgelesene Kolumne Deutschlands. 
  Graf Nayhauß veröffentlichte                 Politikerbiografien wie   "Helmut Schmidt - Mensch und Macher" (1988)   und   "Zwischen Gehorsam und Gewissen -     Richard von Weizsäcker und das Infanterie-Regiment 9"                 (1994). Er wurde mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet,                 ist verheiratet mit der Journalistin Sabine Gräfin Nayhauß                 und hat zwei erwachsene Töchter, von denen eine Fernsehredakteurin                 ist.
  
   
  
  
    TENDENZEN: Herr Graf von Nayhauß, über vier Jahrzehnte lang haben Sie           die große Bonner Politik an vorderster Front journalistisch begleitet.           Wie oft haben Sie die Frage, ob das, worüber Sie offiziell und/oder           inoffiziell informiert wurden und berichtet hatten, tatsächlich der           Wahrheit entsprach, mit einem Ja beantworten können? Würde in           Sachen Wahrhaftigkeit ein Vergleich zwischen den Politikern der 50er und           60er Jahre und derjenigen von heute gemacht werden, wie ginge der aus?           Haben Sie jemals die Wahrheit schreiben wollen und sich letztlich doch           nicht getraut?
    MAINHARDT GRAF VON NAYHAUSS: Doch, die Frage beantworte ich mit einem Ja. Allerdings mit der Einschränkung,           dass man hinterher gelegentlich feststellte, der Informant hatte nicht           die Wahrheit gesagt oder einen irreführenden Eindruck erweckt. Ich           interviewte einmal Kai-Uwe von Hassel, als er Bundestagsvizepräsident           war. Das Interview fand in seiner Amtsavilla statt. Seine Frau war kurz           vorher gestorben. Ich schilderte ihn als trauernden Witwer. Kaum war der           Artikel veröffentlicht, heiratete er ein zweites Mal, erklärte           mir lachend: "Sie haben mich ja nicht nach einer neuen Verbindung           gefragt!"
    Bei einem Lügenvergleich           der Politiker von damals und heute gäbe es ein Kopf-an-Kopf-Rennen.           Die Wahrheit zu vermelden, ist nicht immer eine Frage der "Traute",           wie der Berliner sagt, des Mutes, sondern auch der Abwägung und des           Realitätssinnes. Ein Beispiel: Ich kann nicht die Telekom in die           Pfanne hauen - wozu es Anlass oft genug gibt, wenn sie kurz zuvor mit           meinem Verlag eine Allianz auf dem online-Sektor eingegangen ist; das           wäre weltfremd. 
    TENDENZEN: Wenn           Historiker die Politik der ersten 20 Jahre der Bundesrepublik erwähnen,           sprechen sie gerne vom sogenannten "Rheinischen Katholizismus".           Wie werden sie in 20 Jahren die Politik unsere Zeit womöglich nennen?           Hat ZDF-Historiker Guido Knopp gar recht, wenn er in einem TENDENZEN-Gespräch           sagt: "Die neue Bundesrepublik ist nördlicher, östlicher           und gottloser geworden!"?
    GRAF VON NAYHAUSS: Ich           stimme Guido Knopp voll zu. Allein schon, dass die meisten Minister heute           bei der Vereidigung auf den Zusatz verzichten - "so wahr mir Gott           helfe" -, belegt, dass die Republik gottloser geworden ist.
    
        TENDENZEN: War - historisch gesehen - der Umzug der Bundesregierung           von Bonn nach Berlin geschickt? Immerhin wecken Redewendungen wie "Berlin           meldet" in Europa nicht gerade wertneutrale Gefühle. "Bonn"           war unterschwellig auch ein neues Synonym für ein Deutschland der           Dichter, Denker und Komponisten, für eine andere Kultur als Berlin           im ersten Viertel des 20 Jahrhunderts.
    GRAF VON NAYHAUSS: Der           Umzug war die Einlösung eines Versprechens. Und Versprechen sollte           man bekanntlich halten. Noch als Gorbatschow im Juni 1989 das erste Mal           auf Deutschlandbesuch kam, versicherte ihm der Bonner Oberbürgermeister           Daniels im Rathaus - ich stand daneben - wir sind nur stellvertretend           für Berlin Hauptstadt. Von Helmut Kohl war es sträflich, den           Umzug nach der Wiedervereinigung acht Jahre hinauszuzögern! Am 3.Oktober           1990, am Tag der Wiedervereinigung, hätte er den Berlinern verkünden           müssen: "Ab morgen wird von hier aus regiert!" An Platz           mangelte es nicht. Die DDR hinterließ 32 Ministerien. Nicht alle           waren asbestverseucht!
    Und was die Reaktionen im Ausland           angeht: Meine Frau und ich besitzen und nutzen seit 25 Jahren eine Wohnung           in der Provence. Als ich französische Bekannte im Dezember letzten           Jahres nach dem EU-Gipfel in Nizza fragte, ob sie Angst vor einem zu mächtigen           Deutschland mit einer Hauptstadt Berlin hätten, liessen sie mich           erst gar nicht ausreden, winken ab und klärten mich auf: "Das           sind nur Bedenken von Politikern und Intellektuellen in Paris."
    TENDENZEN: Viele           Konflikte in der Welt haben eine religiöse Dimension. Manchmal ist           sie echt, manchmal wird sie auch nur vorgeschoben. Im Mutterland der Reformation           leben die beiden großen Konfessionen friedlich mit- und nebeneinander.           Professor Basam Tibi, Haward und Göttingen, führt das auf die           Aufklärung zurück und hat eine Vision einer Aufklärung           in der islamischen Welt. Wie schätzen Sie realistisch die Möglichkeiten           ein, daß seine Vision eines nicht allzu fernen Tages Realität           wird?
    GRAF VON NAYHAUSS: Eine           solche, Frieden bringenden Aufklärung in der islamischen Welt hat           nur eine Chance, wenn es in den Ländern dieser Region zu allgemeinen           Wohlstand kommt und Landbesitz keine entscheidenden Rolle mehr spielt,           sondern was man im Kopf hat - wie bei uns heute.
    TENDENZEN: Journalisten sagen Politikern gerne nach, daß sie nur deswegen Journalisten           geworden sind, weil es zum Politiker letztlich nicht gereicht hat. Hätten           Sie Politiker werden können und wollen?  
    GRAF VON NAYHAUSS: Nein!           Auf meinem Abiturzeugnis stand als Berufswunsch: "Diplomat oder Journalist".           Anfang der Fünfzigerjahre bewarb ich mich um Eintritt in den Auswärtigen           Dienst, wurde aber mangels eines Studiums abgelehnt. Mit dem Journalismus           hatte ich bereits 1947 in Berlin, als Zwanzigjähriger Volontär           bei den "Nachrichten für Außenhandel", begonnen.           Also blieb ich dabei. Politiker zu werden, hatte ich keine Lust. Nicht           zuletzt weil die Verdienstmöglichkeiten im Journalismus besser waren           und auch noch sind.
   
 
 
   Menschenwerdung der Mächtigen
  Deutschlands einflussreichster Kolumnist
Mainhardt Graf von Nayhauß plaudert aus Kanzlers Nähkästchen 
  
  
  
  
  Mainhardt Graf von Nayhauß
    "Denk ich zurück an Bonn. Das war die Macht am Rhein." 
    
    
    Eco, Etville
    288 Seiten
    
    29,80 DM
    
  
  Der alte Herr           mit den guten Manieren verbreitet Tratsch über die regierenden Stände           und macht damit wirkungsvoller Politik als alle Rentenexperten, die sowieso           niemand mehr versteht", schrieb jüngst der "Stern".           Gemeint war Mainhardt Graf von Nayhauß, seit 20 Jahren "Bild"-Kolumnist.           Er ist - ganz liebenswert, ganz ruhig - das Sturmgeschütz des Boulevard.
  Macht er Politik? Eigentlich           ist es nur Polittainment. Graf Nayhaußen unterhält sich mit dem Mächtigen und damit vier           Mal in der Woche seine Millionen Leser. Er arbeitet wie ein Schleusenwärter.           Manches lässt er ungefiltert durch, anderes mörsert er, und           vieles lässt er nicht passieren. Schleuse hoch, Schleuse runter,           das ist die Macht des Grafen. Daumen hoch, Daumen runter, das ist seine           Politik. Gezielt eingesetzt wurde Nayhauß von Anfang an. Ein Graf?           Den schicken wir nach Bonn, entschied der "Spiegel" 1956, wo           die Karriere des damals 29-Jährigen als Korrespondent begann. Angesetzt           auf die Mächtigen, von denen er bis heute weiß, worüber           sie reden und wovon keine Ahnung haben. Viel Klatsch sammelte Nayhauß           in vier Bonner Jahrzehnten für seine Erinnerungen.
  Daraus entstand dieses Geschichtsbuch,           was sich herrlich liest, weil Alltagsbeobachtungen über Politiker           einfach spannend sind. Über die alten, verblichenen zumal, die heute           nur noch schwarz-weiße Ikonen sind. Nayhauß macht Menschen           aus ihnen. Ludwig Erhard (Lieblingsgericht: Hirn und Westfälischer           Schinken) war kein schlechter Heuchler. Ausgerechnet ein Foto jenes Mannes,           unter dem er wie kein anderer litt, zierte sein biederes Palisander-Büro.           "Meinem treuen Mitarbeiter in Freundschaft!" hatte der Adenauer           es gewidmet. WULF SCHMIESE