Raimund               Kirch, geb. 1951 in Burgkunstadt, volontierte bei der in Bamberg erscheinenden               Zeitung "Fränkischer Tag". Seit 1981 ist er innenpolitischer               Redakteur bei der Nürnberger Zeitung, Schwerpunkte: Kirche und               Soziales.
      
      
      
      
      
      
      
      
      
    
Vor 25 Jahren noch hätte sich beim Formulieren des Wortes "schwul" die Feder gesträubt. Heute ist es schick, darüber in aller Öffentlichkeit zu reden. "Ich bin schwul - und das ist auch gut so." Mit diesen Worten hat sich Berlins Regierender Bürgermeister geoutet - so der Fachterminus; er tat es, noch bevor er gewählt worden war. Ebenfalls vor 25 Jahren hätte dies zwangsläufig sein politisches Aus bedeutet. Beim Berliner SPD-Parteitag erntete er hingegen Beifallsstürme.
Und dennoch. Dennoch ist es keineswegs normal, wie jetzt über Homosexualität geredet wird (dafür sind 25 Jahre einfach zu kurz). Und das ist gut so. Denn es gibt durchaus Probleme, die nicht weggewischt werden dürfen. Das beginnt bei dem anhaltenden Rechtsstreit über ein Ergänzungsgesetz, das die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufwertet, und endet bei der Aufforderung des SPD-Strategen Franz Müntefering, alle homosexuellen Politiker sollten sich quasi prophylaktisch outen. Als ob damit schon die Garantie für eine wahre und klare Politik gegeben wäre. Da sind ja wohl andere Kriterien anzusetzen.
Dagegen werden durch Münteferings Vorpreschen Politikerinnen und Politiker in Zugzwang gebracht, die ihre sexuellen Präferenzen bisher nicht an die große Glocke gehängt haben und eher durch gute Sachpolitik aufgefallen waren.
Wohlgemerkt, hier geht es nicht darum, Homosexualität als Makel hinzustellen. Die Art, wie derzeit unbefangen darüber gesprochen wird, ist teilweise befreiend, aber eben nur teilweise. Denn vieles wird trotz aller Libertinage unter der Decke gehalten. Zum Beispiel, dass Politiker bei diesem Thema auch an Wählerstimmenfang denken. Meinte doch die PDS-Abgeordnete Christina Schwenk in einem Spiegel-Interview, es gebe mehr Lesben und Schwule als Arbeitslose. Eine entlarvende Bemerkung.
Homosexuelle sind ein Stimmenreservoir           für bestimmte Parteien. Wer hingegen kritisch anfragt und sogar noch           den Vorrang von Ehe und Familie betont, wird in die Hinterwäldlerecke           gestellt. 
      Wobei gerade von den ach so Coolen oftmals abfällig oder gar furchtsam           über die Entwicklung geredet wird. Beispiel: Bei einem Gespräch           am Rande sagte jüngst ein evangelischer Theologe, er habe ja, weiß           Gott, nichts gegen schwule Pfarrer, aber dass mittlerweile alle attraktiven           Stellen in und um München von Homosexuellen eingenommen würden,           störe ihn schon. Solche und ähnliche Bemerkungen sind Ausdruck           eines Verschwörungsdenkens, das sich durch das reihenweise Outen           noch verstärken könnte. 
Umso mehr bleibt zu hoffen,           dass trotz der schrägen Töne die gegenwärtige Diskussion           das Problembewusstsein schärft. Und vielleicht hat sie sogar etwas           Gutes. Dann, wenn sie den Überdruss fördert am Aufdeckenwollen           des allzu Privaten, das die Sexualität nun einmal ist. Ob Hetero           oder schwul, ob Lesbe oder bi - das hat in der Öffentlichkeit nichts,           aber auch gar nichts zu suchen. 
    
Raimund Kirch

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