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Interviews

Tendenzen Gespräch

Oberbürgermeister Ludwig Scholz, CSU (Nürnberg)

Joachim Fest
Ludwig Scholz, Jahrgang 1937, seit 1996 Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg. Nach Abitur Studium der Rechts- und Volkswirtschaft in Frankfurt, Heidelberg und Marburg, verheiratet, drei Kinder, ein Enkelkind.
Ab 1967 Hilfsreferent (Regierungsrat) im Justitiariat des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Zirndorf. 1974 Aufbau des Landesuntersuchungsamtes für das Gesundheitswesen Nordbayern. Von 1988 bis zur Wahl als Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg Fraktionsvorsitzender der CSU-Stadtratsfraktion im Nürnberger Rathaus. Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande.

"Wer den religiösen Dialog nicht führt, hat von
vornherein verloren!"

Nürnbergs CSU-Oberbürgermeister Ludwig Scholz über den UNESCO-Preis für Menschenrechtserziehung (erstmals an eine ganze Stadt verliehen!), Erfolge Nürnbergs bei der Bewältigung der leidvollen Vergangenheit und dem friedlichen Miteinander verschiedener Religionen in der Frankenmetropole
Joachim Fest


Oberbürgermeister Ludwig Scholz im Gespräch mit A. Schosch.
Foto: Dr. Wolfgang Stöckel, Leiter des Presseamtes der Stadt Nürnberg

TENDENZEN: Herr Oberbürgermeister Scholz, Ende April erhielten Sie für die Stadt Nürnberg den UNESCO-Preis für Menschenrechtserziehung. Können Sie die Gefühle beschreiben, die Sie in diesem Augenblick verspürten? Immerhin stehen Sie einer Stadt vor, deren Name mit der dunkelsten Stunde Deutschlands schrecklich verbunden ist, wurden doch von hier aus die Blut- und Rassegesetze des Nazi-Wahnsinns verkündet und seinerzeit weltweit Angst verbreitende Reichsparteitage abgehalten.

OBERBÜRGERMEISTER SCHOLZ: Als ich die Urkunde der UNESCO in Händen hielt, war das schon ein Gefühl des Stolzes. Die Anerkennung für unsere bisherigen Bemühungen, eine neue Kultur des Erinnerns zu schaffen und Nürnbergs Rolle in der NS-Zeit sachlich aufzuarbeiten, ohne die Historie leugnen zu wollen, freut mich sehr. Sie ist aber auch eine Verpflichtung für die Zukunft. Wenn wir unserem Anspruch, zu einer Stadt des Friedens und der Menschenrechte zu werden und damit international beachtet zu werden, gerecht werden wollen, dann bleibt mit Sicherheit noch viel zu tun. Aber ich gebe gerne zu, dass der UNESCO-Preis auf diesem Weg ein ganz wichtiger Meilenstein war.

TENDENZEN: Die Erziehung ist - und das gilt erst recht für die Erziehung in Sachen Menschenrechte - ein langwieriger und mühsamer Vorgang. Nennen Sie uns bitte ein paar konkrete Beispiele, wie es in Nürnberg praktiziert wird?

SCHOLZ: Die Jury hat ja ganz bewusst drei Dinge besonders gewürdigt. Da ist zum einen der Menschenrechtspreis, den die Stadt Nürnberg seit 1995 vergibt. Dieser Preis hat sich durchgesetzt, hilft den Preisträgern, die Schwierigkeiten in ihren Heimatländern zu meistern, und er hat in der Nürnberger Bevölkerung das Bewusstsein für die Problematik der Menschenrechte geschärft. Dann ist da unsere Idee des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände, in dem die Zusammenhänge und Hintergründe jener Schreckensherrschaft gerade nachwachsenden Generationen vermittelt werden sollen, um die Verherrlichung oder gar ein Wiederaufleben des Naziterrors nachhaltig zu verhindern. Zu diesem Verwaltungshandeln kommt aber drittens die aktive Beteiligung der Bürgerschaft hinzu, in den Gremien der Menschenrechtsfilmpreise zum Beispiele oder in den runden Tischen, die Nürnbergs Menschenrechtsarbeit seit langem engagiert begleiten. Für mich ist es immer wieder eine Freude, zu sehen, wie gerade Schulen und Jugendgruppen die Arbeit unserer Menschenrechtspreisträger und unsere eigene Arbeit unterstützen.

TENDENZEN: Bert Brecht dichtete einst im Blick auf den braunen Terror, " der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem es kroch". Die Zahl der kriminellen Delikte mit rechtsradikalem Hintergrund ist in den letzten Jahren bundesweit gestiegen. Nürnberg macht hier eine positive Ausnahme - kaum Vorfälle. Auch ein Erfolg der Menschenrechtserziehung? Wie unterstützt die Stadt hier die vielfältigen Aktivitäten?

scholzDie englische Königin Elisabeth II. und Oberbürgermeister Ludwig Scholz bei einem Empfang der Stadt Glasgow Anfang Juli 2001.
Foto: Presseamt der Stadt Nürnberg

 

 

 

 

 

 

SCHOLZ: Dass wir in Nürnberg kaum rechtsradikale Vorfälle zu verzeichnen hatten, ist zunächst einmal wohl Glück. Wir sind nicht besser als andere! Was uns in unserer Stadt mit Sicherheit hilft, ist neben der Menschenrechtsarbeit vor allem auch das friedliche Miteinander der verschiedensten Nationen. Hier haben wir es in enger Zusammenarbeit mit Kirchen, Vereinen und auch der Polizei geschafft, dass sich keine radikale Szene entwickeln konnte, dass man fair miteinander umgeht. Schon in den Schulen betreiben wir diese Politik der Integration. Nicht umsonst helfen uns Schülergruppen bei der Konzeptionierung der pädagogischen Inhalte des Dokumentationszentrums.

TENDENZEN: Das Thema Religion ist untrennbar mit dem Thema Menschenrechte verbunden. Die beiden Volkskirchen kommen in Nürnberg seit Jahrzehnten friedlich miteinander aus. In letzter Zeit wird viel über den Einfluß des Islams auf Europa und eine wachsender Zahl von Moslems in unseren Städten berichtet. Sind diese auch als Zielgruppe in Sachen Menschenrechtserziehung erkannt und wenn ja, wie kann und wie wird hier ein Dialog geführt?

SCHOLZ: Das Thema Religion und Menschenrechte stand im Mittelpunkt der Menschenrechtstagung zur Preisverleihung 1999. Gerade weil wir mit den Moslems in Nürnberg reden, ihnen Raum zur religiösen Entfaltung geben, sind wir so weit gekommen, dass alle Religionen hier bei uns sensibel sind bei der Thematik Menschenrechte. Ich will gar nicht verhehlen, dass der Dialog oft schwierig ist, wer ihn aber nicht führt, der hat von vornherein verloren. Den beiden großen Volkskirchen ist rundum Dank zu sagen, sie tragen unsere runden Tische und unterstützen unsere Menschenrechtsaktivitäten seit Anbeginn.

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