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Interviews

Aktuell Juli 2006

NAHOST

Die Raketenkrieger Gottes

Rolf Tophoven analysiert die militärische Stärke der Hisbollah und erkennt, daß Israel die Kampfkraft der Miliz unterschätzt hat. Deshalb könnte der Libanon-Feldzug scheitern

von Rolf Tophoven

Als israelische Panzer im Sommer 1982 in den Libanon rollten, jubelten die Menschen in den Schiiten-Dörfern des Südlibanon. Sie sahen die Soldaten als Befreier von der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) Jassir Arafats, die dort einen Staat im Staate errichtet hatte. Während damals Blumen und Reis auf die israelischen Panzer regneten, fliegen ihnen heute panzerbrechende Geschosse entgegen.

Abgefeuert werden sie von einer gut trainierten, disziplinierten und hochmotivierten Hisbollah-Miliz. Iran und Syrien ziehen im Hintergrund die Fäden. Israels Krieg mit der "Partei Gottes" geht in die dritte Woche. Doch noch ist kein entscheidender Schlag gegen die irregulären radikalislamischen Krieger gelungen. Raketen treffen weiterhin israelische Städte, Kommandos leisten erbitterten Widerstand, die internationale Öffentlichkeit verurteilt zunehmend das Ausmaß israelischer Luftschläge.

Lesen Sie hier den Beitrag aus WELT am SONNTAG vom 30.07.2006 zu Ende.

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DEUTSCHLAND

"Scientology nutzt lernschwache Kinder aus"

Der Lehrerverband schlägt Alarm: Scientology unterwandert den deutschen Nachhilfemarkt. Die Opfer sind dabei die Schwächsten der Gesellschaft. Subtil werden Kinder an die Philosophie des Sektengründers herangeführt und manipuliert.

Heinz-Peter Meidinger ist Vorsitzender des Deutschen Philologenverbandes, in dem knapp 90.000 Lehrer organisiert sind. Joachim Peter sprach mit ihm über die Einflußnahme der Scientology-Organisation auf den deutschen Bildungsmarkt.

DIE WELT: Herr Meidinger, Baden-Württembergs Innenministerium hat davor gewarnt, daß die Scientology-Organisation auf dem Nachhilfe- und Bildungsmarkt immer stärker Fuß faßt. Müssen Eltern nun befürchten, daß ihre Kinder in die Fänge von Scientology geraten könnten?

Heinz-Peter Meidinger: Unsere Erkenntnisse über Scientology stützen sich vor allem auf die Berichte des Verfassungsschutzes und einzelner Kultusministerien. Außerdem haben sich einige Eltern beim Philologenverband gemeldet und uns ihre persönlichen Erfahrungen geschildert. Wir können nun feststellen, daß sich die Zahl der Nachhilfeinstitute, die Scientology betreibt, innerhalb der letzten zehn Jahre mindestens verdreifacht hat. Inzwischen gibt es mehr als 30 solcher Einrichtungen. Und man kann davon ausgehen, daß die Zahl weiter steigt, denn die Institute gründen permanent Ableger. Viele von ihnen sind auch noch gar nicht entdeckt worden.

WELT: Nutzt Scientology einen allgemeinen Trend aus?


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ISLAM

Steinharte Ideologen oder gelenkige Pragmatiker - was steckt hinter den Muslimbrüdern?

Seit bald 80 Jahren prägt die Muslimbruderschaft den arabischen Islamismus. Noch immer gibt diese Muttervereinigung der Strenggläubigen Rätsel auf

Als die Muslime im Mekka des siebten Jahrhunderts noch eine Minderheit waren, ähnelten sie Pazifisten: Gewalt vergolten sie nicht mit Gegengewalt, sie halfen den Armen und Kranken, und beging jemand eine Sünde, etwa Ehebruch, wurde er zwar ermahnt, nicht aber bestraft. Als die Muslime Jahre später dagegen in Medina einen islamischen Staat errichteten, führten sie Kriege gegen Andersgläubige und bestraften Ehebrecher mit der Steinigung. Den Armen und Kranken halfen sie jedoch noch immer.

Auf dieses Vorbild beruft sich die internationale Vereinigung der Muslimbruderschaft (MB), die hinter den meisten islamistischen Bewegungen Arabiens und Europas steht. Auch die Muslimbrüder sind doppelgesichtig: karitativ und kriegerisch, ideologisch und pragmatisch. Darin dürfte sogar ihr Erfolgsgeheimnis bestehen.

Derzeit beweist das wieder ihr palästinensischer Arm, die Hamas: Einerseits nahm sie israelische Soldaten als Geiseln - in der heimtückischen Hoffnung, der Gegenschlag Israels werde weltweit Solidarität mit der Hamas mobilisieren. Andererseits werden Hamas-Aktivisten von vielen Palästinensern verehrt wie Mutter Theresa in Indien, weil sie als Ärzte, Lehrer und Krankenschwestern den Armen bis zur Erschöpfung helfen.

Lesen Sie hier den Beitrag aus WELT am SONNTAG vom 23.07.2006 zu Ende.

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DEUTSCHLAND

Ramadan auf deutschen Fußballplätzen

Johannes Vogel sieht nicht nur bei Zuwanderern Nachholbedarf in Sachen Integration. Wir alle müssen akzeptieren, daß Einwanderung eine Gesellschaft kulturell verändert

von Johannes Vogel

Endlich haben die Politiker in allen politischen Lagern die Realität akzeptiert: Deutschland ist ein Einwanderungsland, wir brauchen gesteuerte Zuwanderung. Vor allem bei der Integration muslimischer Mitbürger - die ja den Großteil der Zuwanderer stellen - gibt es aber noch einigen Grund zur Sorge. Zu Recht hat man in letzter Zeit viel über höhere Anforderungen an Zuwanderer diskutiert. Gewiß muß man von ihnen deutsche Sprachkenntnisse, ein Grundverständnis der deutschen Geschichte und das klare Bekenntnis zum Grundgesetz verlangen, nicht zuletzt zur Trennung von Staat und Religion.

Andererseits aber: Haben wir "alteingesessenen" Deutschen wirklich schon verstanden und akzeptiert, daß Zuwanderung eine Gesellschaft unausweichlich verändert? Nach einer aktuellen Allensbach-Umfrage verbindet eine überwältigende Mehrheit der Deutschen mit dem Islam Attribute wie "Fanatismus" und "Intoleranz". Besonders besorgniserregend ist dabei, daß diese Ablehnungshaltung in den vergangenen zwei Jahren deutlich zugenommen hat. 56 Prozent der Befragten fordern, man solle keinen weiteren Bau von Moscheen zulassen, schließlich sei ja auch das Errichten von Kirchen in einigen muslimischen Ländern verboten. Wenn aber in den Köpfen der Menschen nicht mehr zwischen den Islamisten und dem Islam unterschieden wird und man den Muslimen nicht einmal mehr die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit zugestehen will, hat diese Gesellschaft ein Problem.

Lesen Sie hier den Beitrag aus WELT am SONNTAG vom 23.07.2006 zu Ende.

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EVANGELISCHE KIRCHE

Der neue Reformator

EKD-Chef Huber revolutioniert die Kirchenlandschaft. Zugleich erweist er sich als Integrationsfigur des Protestantismus.

Von Gernot Facius

Bonn/Berlin - Politiker könnte er sein. Manager. Er weiß, wie Unternehmensberater und Motivationstrainer ticken. Er kennt deren Sprache. "Qualitätsmanagement", "Mentalitätswandel", "Kernkompetenz", "Aufwärtsagenda" sind für Wolfgang Huber (64) keine Vokabeln von einem anderen Stern. Dem Sozialethiker, Berliner Bischof und Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gehen sie mittlerweile so flink von der Zunge wie das Vaterunser. Als Ratsvorsitzender gilt der 1942 in Straßburg geborene Huber als die Nummer eins des deutschen Protestantismus. Er ist das telegene Gesicht der EKD. Doch die Wirklichkeit ist allemal konkreter. Seine Rolle entspricht eher der des intelligenten Moderators - eines Gremiums aus Delegierten von 23 Landeskirchen, die alle mehr oder weniger auf ihre Souveränität pochen. Gelingt es ihm jedoch, die nun angestoßene "Zukunftsdebatte" so zu lenken, daß eine völlig neue Struktur der evangelischen Kirche herauskommt, wird Huber als der große Reformer in die EKD-Geschichte eingehen. Nur noch acht bis zwölf Landeskirchen bis 2030, orientiert an den Grenzen der großen Bundesländer und mit jeweils nicht weniger als einer Million Mitgliedern, verbunden mit einer Stärkung der Zentrale in Hannover - dieses revolutionäre Projekt soll dem evangelischen Partikularismus und Kirchturmdenken ein Ende machen. Der Zuschnitt der Landeskirchen, ihre Zersplitterung in Lutheraner, Reformierte und Unierte, spiegelt noch immer die Deutschland-Landkarte von 1815 wider. Die "Reformdekade" soll im Januar 2007 in Wittenberg beginnen und 2017 mit dem 500. Jahrestag von Martin Luthers Thesenanschlag abgeschlossen sein. Der Reformer und der Reformator - Huber und sein Rat haben eben Sinn für Symbolik.

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JESUITEN-ORDEN

Feuerkopf gründete die «Gesellschaft Jesu»

Er begann seine Karriere als Ritter, doch als Loyoala vor 450 Jahren starb, hinterließ er dem Papst die von ihm gegründeten Jesuiten. Bewundert, gefürchtet, geheimnisumwittert - der Orden hat bis heute nichts von seiner Bedeutung verloren.

Von Christian Feldmann

«Schütze deine Frau vor den Mönchen und dein Geld vor den Jesuiten», empfiehlt ein spanisches Sprichwort. Papstmorde und Giftmischerei hat man ihnen angelastet, Beichtstuhlintrigen und politische Verschwörungen. Verketzert und bestaunt, gefürchtet und bewundert worden sind sie wie kaum eine andere Gruppierung in der Geschichte des Geistes: die Jesuiten, die «Gesellschaft Jesu».

Lesen Sie hier den Beitrag aus NETZEITUNG vom 17.07.2006 zu Ende.

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GESELLSCHAFT

"In unserer Gesellschaft wird der islamistische Terrorist zum Opfer gemacht"

Erst Madrid, dann London, jetzt Bombay: Bombenleger greifen die Metropolen der Welt an. Die britische Journalistin Melanie Phillips sucht in ihrem neuen Buch die Ursache für den Haß auf den Westen. Für sie sind das britische Establishment und der Multikulturalismus schuld an der Eskalation der Gewalt

von Matthias Wulff

Zufall war es nicht. Als am Dienstag in Bombay die Bomben hochgingen, folgten die Terroristen einem erprobten Muster. Wie in London vor einem Jahr und in Madrid im März 2004 explodierten die Sprengsätze zur morgendlichen Hauptverkehrszeit. Ziel der Anschläge waren wieder Bahnreisende, und wieder sorgten die in kurzer Abfolge gezündeten Sprengsätze für maximale Zerstörung.

"Copycat Terrorism" - Nachahmer-Terrorismus - beobachtet Peter Lehr vom britischen Centre for the Study of Terrorism and Political Violence. "Terroristen lernen voneinander, und es ist vorstellbar, daß die südasiatischen Islamisten die Anschläge in London als nützliches Muster für ihre Attacken nahmen."

Lesen Sie hier den Beitrag aus WELT am SONNTAG vom 16.07.2006 zu Ende.

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RELIGION

Die Facetten des Islam

Kaum eine Religion wird von vielen Menschen in Deutschland als so fremd empfunden wie der Islam. Die Politiker versuchen gerade mit einem Integrationsgipfel Antworten auf Probleme von und mit Einwanderern zu finden. Dabei hilft es, mehr über die verschiedenen Strömungen und Grundlagen des Islam zu erfahren. Antonia Beckermann hat sich dafür in Kairo umgesehen

Die Luft ist stickig und heiß. Eine Frau, schwarzverschleiert, hat das kleine Fenster geöffnet, doch die staubige Hitze Kairos bringt kaum Abkühlung. Es ist Freitag mittag, die Zeit des Gebetes. Die Frauenempore der Nur-Moschee (Moschee des Lichtes) ist völlig überfüllt. Auch als der Muezzin schon aufgehört hat zu rufen, strömen immer mehr Frauen und kleine Mädchen in den Raum.

Kopftuch an Kopftuch, Fuß an Fuß stehen die Frauen mit Blick in Richtung Mekka. Beim Niederknien berührt die Stirn der einen fast die Fußsohlen der anderen. In einer für einen Nicht-Muslimen fast unheimlichen Geschlossenheit folgen die Frauen dem Ruf des Imam, aufstehen, verneigen, aufstehen, niederknien, aufstehen. Wie kaum irgendwo anders ist die Kraft des islamischen Glaubens hier spürbar.

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DEUTSCHLAND

"Kirchenglocken statt Ruf des Muezzins"

Hessens Ministerpräsident Roland Koch verlangt von Zuwanderern, die deutsche Leitkultur zu akzeptieren

von Ansgar Graw

DIE WELT: Herr Ministerpräsident, wird der Integrationsgipfel eine unverbindliche Gesprächsrunde im Kanzleramt? Oder erwarten Sie eine Art Masterplan?

Roland Koch: Politik ist nicht so schwarz oder weiß, daß entweder gar nichts herauskommt oder gleich ein umfassendes Ergebnis. Ich freue mich, daß Angela Merkel zu dem Treffen eingeladen hat. Am Freitag wird nicht beschlossen, wie Deutschland in Zukunft aussieht, aber es wird ein wichtiger Punkt gesetzt, von dem aus zukünftige Entwicklungen anders verlaufen werden als in der Vergangenheit.

WELT: Wird der Gipfel der Auftakt zu einer verstärkten Einbürgerung hier lebender Ausländer?

Koch: Ausländer, die schon lange bei uns sind und sich entschieden haben, mitsamt ihren Kindern dauerhaft hierzubleiben, laden wir natürlich ein, deutsche Staatsbürger zu werden. Aber wir haben über zu viele Jahre nicht den Mut gehabt, präzise zu sagen, was wir von den Ausländern erwarten, die dauerhaft bei uns leben wollen. Das war ein Fehler. Es genügt nicht der Wille der Ausländer, deutsche Staatsbürger zu werden, sondern ebenso wichtig sind unsere Bedingungen, die wir an sie stellen.

WELT: Wie lauten die Bedingungen?

 

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VATIKAN & ISLAM

Assisi und zurück

„Dialog“ mit Allah im Spiegel der Päpste

Hans-Peter Raddatz


Als am 19. April 2005 nach vier Wahlgängen der Kardinaldekan Joseph Ratzinger zum Nachfolger Johannes Pauls II. und neuen Papst Benedikt XVI. gewählt war, zeigten sich im „Lande Luthers“ die Berufsrelativisten irritiert. Im Deutschen Theater zu Berlin war zu jener Zeit einige Prominenz aus Politik, Wissenschaft und Medien zu einem Podium versammelt, das über den „Geist Europas“ diskutieren sollte, was immer das aus ihrer Sicht bedeuten mochte. Ihr Feindbild Ratzinger als neuer Papst? Der christophoben Elite verschlug es schlicht die Sprache und ließ sie für einen lan-gen Moment in Schweigen erstarren. Von dieser Wahl schien etwas ganz Besonderes auszugehen.

Diejenigen, die sie zustande gebracht hatten, die Mitglieder des Konklaves, sahen es ähnlich, setzten allerdings die Akzente deutlich anders. Die Mehrheit von ihnen äußerte tiefe Befriedigung über das Ergebnis sowie die Überzeugung, einer großen Stunde der Einmütigkeit, wenn nicht des Heiligen Geistes beigewohnt zu haben. Wie es hieß, sei vielleicht sogar ein „Gordischer Knoten“ durchschlagen worden, nämlich die unlösbar scheinende Pattsituation, die Johannes Paul II. zwischen seiner Sicht des Islam und der Aufgabe der Kirche, der Verkündung des Christentums, geschaf-fen hatte.

I. Die Wahrheit Johannes Pauls II.

Um dieses Patt zu verstehen, ist es wichtig, sich ins Gedächtnis zu rufen, was sich in der Kirche unter dem Signum des „Dialogs mit dem Islam“ entwickelt hat. Seinen Ausgang nahm das Phänomen im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65), das hinsichtlich der anderen Religionen zunächst nur eine Stellungnahme zum Judentum abgeben wollte. Eher zufällig, auf Anregung der orientalischen Christen, wurde sie auf den Islam ausgeweitet, eine Maßnahme, die unerwartete Dynamik auslöste.

Gegen zum Teil erbitterten Widerstand setzte man eine Position zum Islam durch, die in wichtigen Punkten völlig neu definiert war. Wie so oft in der Geschichte, ent-sprach dabei der „Heilswille Gottes“ dem Machtwillen bestimmter „Hirten“. Sie forderten die Herde der katholischen Christen auf, sich mit den Muslimen nun in der Anbetung eines umgeformten, gemeinsamen Gottes zu verbinden. Denn sie erkenn-ten Jesus als „Propheten“ sowie Maria als Frömmigkeitsideal an und seien mit den Juden und Christen als Anhänger einer „abrahamitischen Religion“ anzusehen (Nost-ra Aetate):

Als begleitende Maßnahme beschloß man eine „Öffnung zur Welt“ (Gaudium et Spes), die allerdings mit ähnlichem Schwung statt einer gemäßigten Modernisierung einen Dammbruch pluralistischen Wettbewerbs erzeugte. Während Konsumwelt und Orient-Gottheit den „mystischen Leib“ der Kirche spalteten, signalisierten die Kir-chenaustritte eine ebenso konsequente Despiritualisierung. Um so mehr entsprachen die Programme der Kirchentage dem „Markt der Religionen“ und den Normen der Massengesellschaft.

Erklärter Protagonist dieser Bewegung war Papst Johannes Paul II. (gest. 2005), der in den „Weltgebetstagen“ von Assisi die Erlösung in einer universalen Ganzheit suchte: „Die neue Konzeption der Idee des Volkes Gottes hat die alte Wahrheit be-züglich der Möglichkeit einer Erlösung außerhalb der sichtbaren Grenzen der Kirche abgelöst ...“1 Johannes Paul erschien als prometheischer Visionär, der sich selbst als ästhetischer Baumeister, als „Priester der Kunst“ verstand, ausgestattet mit „unbe-grenzter Kraft, die Welt zu erneuern, die ganze Menschheit umzugestalten ...“2

Die Gläubigen staunten, denn die tatsächliche Umgestaltung der Welt war schon vor zwei Jahrtausenden durch die christliche Offenbarung grundgelegt worden. Bewahrt im Leib Christi, in den Lehr- und Glaubenskörpern der Kirche, bestand eine Wahr-heit, die das Konzil nun in eine „neue Konzeption“, eine andere Gottesvorstellung führen sollte. Aber erst Karol Wojtyla sprach von einer „unbegrenzten Kraft“, die ihn aufforderte, „die ganze Menschheit umzugestalten“ – und dies „außerhalb der sicht-baren Grenzen der Kirche“, also außerhalb derjenigen Institution, der seine Loyalität zu gelten hatte.

Was befähigte ihn dazu? Welche Kraft war es, die ihn drängte, die „sichtbaren Gren-zen“ der Kirche zu überschreiten, und welches waren die unsichtbaren Grenzen, die ihn offenbar die sichtbaren betonen ließen? Diese und andere Fragen beschäftigten sowohl die Kirche als auch externe Beobachter in den 1980er und 1990er Jahren, in denen sich der Pontifex zunehmend von der Kraft des Islam fasziniert zeigte.

Er „verneigte sich vor einem großen Menschen“, als der allseits gefürchtete iranische Revolutionsführer 1989 starb, und segnete 1993 – unter Anrufung Allahs – den Su-dan Turabis, der in den Jahren danach über eine Million Christen umbringen ließ. Arafat, in dessen Auftrag ebenfalls viele Menschen den Tod fanden, hält einen Spit-zenplatz in der Zahl der Audienzen. Im Jahre 2000 rief der Papst Johannes den Täu-fer auf, „den Islam zu behüten“, also als Schutzheiliger für die Gemeinschaft Allahs einzutreten.

Da all dies mit der Kirche wenig zu tun hat, lassen sich auch Wojtylas Denken und Handeln nicht durch deren Grundlagen, sondern allenfalls aus Perspektiven erfassen, die er selbst entwickelt hat. Wer genügend Interesse für und Respekt vor seinem geistigen Schaffen aufbringt, wird durch aufschlußreiche Einblicke belohnt, die das subjektive Objektiv seiner esoterischen Phänomenologie gewährt.

Bei dieser Sichtweise handelt es sich um eine anti-rationale Erkenntnislehre, die den philosophischen Verstand weitgehend meidet und eher mit Intuition und Erfahrung zu autonomen Vorstellungen von Wahrheit, Freiheit, Wille, Gewissen, Erlösung etc. gelangen will. In „Person und Tat“ (Freiburg 1981) hat Wojtyla seine Auffassung von den „Phänomenen“ vorgelegt, wobei er seinem Vorbild E. Husserl (gest. 1938) folgt und auf die in der herkömmlichen Wissenschaft übliche Definition von Begrif-fen verzichtet. Welche Rolle die autonome Erkenntnis in seiner Theologie spielt, wird in Vorlesungen deutlich, die er 1976 in engstem Kreis Pauls VI. gehalten und in deutscher Sprache als „Zeichen des Widerspruchs“ (Freiburg 1979) veröffentlicht hat.

Im Zentrum seiner Überlegungen steht die „Tat“, die unfreiwillig, aber methodisch eher zur profanen Machtaneignung als zur geistigen Vervollkommnung führt. Durch sie soll sich der Mensch zur neuen, „eigentlichen Person“ transzendieren, die sich die „Freiheit zu den Werten“ sowie den „Willen zum Guten“ und von daher die „Wahr-heit“ erschließt.3 Dieses Geschehen verdichtet sich zur „erkennenden Intuition“, die den Menschen befähigt, eine „schöpferische Rolle“ zu übernehmen und „sich selbst zu vollbringen.“4 Indem die äußere Handlungswelt der Person Priorität über ihre innere Gedankenwelt erlangt, kann sie sich „in der Tat“ nur in der Tat verwirklichen, die mithin sowohl einen zwanghaften als auch erlösungsartigen Charakter annimmt.

Daraus folgt, daß der „gute Wert“ im Grunde jede Handlung legitimiert, die diesem Ziel vermeintlich nützt. Ihre Beurteilung erfolgt subjektiv und bedarf keiner Objekti-vierung durch die Wirklichkeit bzw. das Lehramt, wird aber dennoch der Kirche als verbindlich auferlegt. Eine sich darauf stützende Hierarchie kann beanspruchen, zur Definition von Werten inspiriert zu sein, deren „Heiliger Geist“ sowohl inner- wie außerkirchlich wirksam wird. Wojtyla macht keinen Unterschied zwischen objektiv und subjektiv, damit auch nicht zwischen wahr sein und für wahr halten, mit dem Ergebnis, daß er den herkömmlichen Gewissensbegriff nicht kennt, zumindest nicht verwendet.5

Noch deutlicher tritt das Defizit des traditionellen christlichen Gewissens mit dem Begriff des „Wertfühlens“ hervor, mit dem nicht nur die Legitimation, sondern auch die „Wahrheit“ einer Vorstellung bzw. Handlung hergestellt ist. Solange sie und ihre Motive zwar subjektiv, aber „wahrhaftig“ erfühlt werden, ist sie nicht nur für die betroffene Person, sondern hierarchisch „objektiv“ auch für andere verbindlich. Dar-aus folgt, daß je weiter die Entscheidung trägt, je „transzendenter“ die Wertvorstel-lung ist, und je mehr andere an ihr teilnehmen, desto größeren Erfolg die Tat ver-spricht. Dieser Kontext erzwingt eine entsprechend konsequente „Anstrengung“, d. h. die charismatische Konkurrenz um die „richtige“ Tat und die Ermittlung der „be¬sten“ Ausführenden.6

Da der Tatmensch Sein, Freiheit und Wahrheit selbst definiert, ist die herkömmliche Seinslehre überflüssig.7 Ebenso wird die rationale Analyse entbehrlich, womit auch die Prüfung der kirchlichen Verträglichkeit entfällt. Sie weicht einem „höheren“ Empfinden, das Anklänge an die Geniereligion des frühen 20. Jahrhunderts „fühlen“ läßt. Dabei können sich Vernunft, Intellekt und Intuition aufheben und das Vor-Urteil zum Urteil machen.8 Wenngleich sich Parallelen zum nietzscheanischen Übermen-schen und der Führerfigur einer Massenideologie aufdrängen, so beschränken wir uns zunächst auf die Feststellung einer Lehre, die zwar anthropologisch, nicht aber christlich korrekt ist.

Sie machte sich nicht nur im Sprechen und Handeln des Papstes geltend, der die „menschliche Intelligenz“ zum Maßstab erhob und sich von der calvinistischen Ma-xime beeindruckt zeigte, „mehr zu haben, um mehr zu sein.“9 Ihren ungeheuren Erfolg erzielten seine Thesen vor allem, weil sie dem Zug der Zeit ins Massenzeital-ter entsprachen. Indem sie sich über die Autorität des Amtes und die „Öffnung zur Welt“ intensivierten, trug der Papst selbst – ob bewußt oder unbewußt – dazu bei, Denken und Glauben in der Kirche allmählich vom objektiven Bezug der Offenba-rung zu lösen.

Indem das „fundamentale Gute“ der neuen Zielvorstellung, in der sich der Mensch „vollbringt“, der „erkennenden Intuition“ obliegt, tritt die kirchliche Instanz zurück. Deren „sichtbare Grenzen“, die seit dem Konzil zu verschwimmen begonnen hatten, wurden in zunehmendem Maße durchlässig und überschreitbar. Diesem Prozeß stellt sich Benedikt XVI. nun mit einer Renaissance des Christlichen entgegen, auf die wir weiter unten eingehen. Vorab sei hier auf sein Wort von der „Hermeneutik der Dis-kontinuität“ verwiesen, welche die Einheit gefährdet, weil sie „das Risiko eines Bru-ches zwischen vorkonziliarer und nachkonziliarer Kirche in sich birgt“.10

Im Anschluß an Johannes Pauls Missionsenzyklika gab der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog zu Pfingsten 1991 das Dokument „Dialog und Evangelisie-rung der Völker“ heraus.11 In ihm bildete sich Johannes Pauls Vorstellung von der „gemeinsamen Tat“ als Fusion von „Dialog und Verkündigung“ ab. Nun war es ein „Samen des Guten“, der wie vieles andere undefiniert blieb, aber alle Religionen und Kulturen auf einen Ursprung zurückführen sollte. So spielt Christus eine theoreti-sche, eher unverbindliche Rolle als Quelle der Erlösung, zumal seine Anerkennung im Islam strafbewehrt ist (s. u.).

Der „Dialog“ besteht daher nicht in der objektiven Analyse der Realität, sondern allenfalls in der subjektiven Annäherung an die „Überzeugungen und Werte anderer Menschen mit aufnahmebereitem Sinn“. Es soll eine innere Haltung erlernt werden, die in die „Bereitschaft“ mündet, „sich selbst durch die Begegnung verwandeln zu lassen“, um schließlich eine neue Realität zu schaffen. Über die „Transzendenz der Tat“ führt diese Intention in ein neues Sein, das sich als eine weitere Variante der Geniereligion enthüllt. Diese erscheint als „transzendente Dimension der Kultur“, die nach Wojtylas eigener Aussage elitär, d. h. durch geeignete Menschen, z. B. ihn selbst und/oder die Führer der anderen Religionen und Kulturen, festgelegt wird. Mithin spielt es keine Rolle mehr, welche Gottesvorstellungen und geschichtlichen Abläufe die Kulturen geprägt haben. Der solcherart diktierte „Dialog“ scheint den christlichen Grundpfeiler der Gnade ersetzen und sie alle in eine Form, in eine Art Mater aller Religionen gießen zu können.

Intensiven Einfluß auf sein Prägeprinzip räumte der Papst Islam und Buddhismus ein, indem er respektvolle Kontakte zum Dalai Lama und den erwähnten Islamisten-führern Khomeini, Hasan Turabi und Arafat pflegte. Dabei zeigte sich, daß man deren totalitäre Werte nicht achten konnte, ohne christliche Werte wie Individualität und Gewaltverzicht abzubauen. Also war Jesus, das metaphysische Ärgernis für alle Gegner der Kirche, zu verändern: Der machtlose Gottmensch wandelte sich zum Passepartout für die „höchste Gewalt des Menschen“,12 der mithin die Ethik der offenbarten Wahrheit abstreifen konnte. So stimmte Johannes Paul im „Heiligen Jahr“ im Kairoer Treffen mit dem damaligen Azhar-Chef M. Tantawi einem Arbeits-papier mit Jesus als „Propheten“ zu.13

Um so weniger stand einem neuen Massenglauben im Wege, einem abstrakten „Sein in Christus“, das sich nun in unbegrenzter Elastizität auf alle Religionen und Menschen – Katholiken, Muslime, Buddhisten, Atheisten – ausdehnen konnte.14 So war es allemal eine „transzendente Tat“, den Koran zu küssen, als Imam und Patriarch von Bagdad 1999 den Pontifex im Vatikan besuchten. Ebenso unterwarf er sich dem Muslim-Recht auf unbedingten Gehorsam der Frauen. Trotz aller Hochachtung, die in seinem „Brief an die Frauen“ (1999) zum Ausdruck kommt, lehnte er deren Emanzipation ab, weil sie „den ökumenischen Kontakt mit den Anhängern des Islam blockiert.“15

Kritische Einwände, die ihre Annäherung an das islamische Heilsobjekt stören, wei-sen die Vertreter des „Dialogs“ als „Diffamierung“, „obskure Quellen“ oder Schlim¬meres zurück. „Person und Tat“ sowie „Zeichen des Widerspruchs“ sind von diesem Stigma bislang offiziell verschont geblieben, nicht aber die Autoren, die sich auf sie beziehen (s. u.). So erstaunt das kirchliche Schweigen über diese Werke nicht, denn ohne ihren Geist sind weder das päpstliche Konzept der Selbstermächtigung noch seine Massen- und Medienwirkung, noch die spirituelle Entleerung der Kirche und der Abbau der Seelsorge verständlich. Nur wenige wunderten sich, als nach seinem Tod während des Requiems von Sprechchören begleitete Transparente mit der For-derung „Santo Subito“ auftauchten. Man kann sie frei mit „Sofortheiliger“ überset-zen, was durchaus dem Instantkonsum der modernen Gesellschaft entspricht.

II. Öffnung zum Massengott

So wie sich in allen Systemen durch Polung der Randbedingungen entsprechende Rückkoppelungseffekte erzielen lassen, so verstärkte auch der verordnete „Wille zum Guten“ den Breitenerfolg des päpstlichen Konstrukts. Die sperrige Bildung der „alten“ Individualität löste sich graduell im „neuen“ Gefühl wohliger Ganzheit auf. Neben die „erkennende Intuition“ hatte Wojtyla dabei längst die zweite Säule der Esoterik, die „transzendente Intelligenz“ gestellt. Die Kombination beider sollte nun endgültig den Heilswillen eines kosmisch anmutenden „Gottes unendlicher Majestät“ erschließen, dem es schon im Konzil gelungen war, „das Wesen der Kirche neu zu bestimmen“.16

Die Universalität dieser selbsterteilten Lizenz legitimierte Johannes Paul zu den verschiedensten „transzendenten“, in der Öffentlichkeit als „revolutionär“ erkannten Maßnahmen, die ihn in widersprüchlichen Nachrufen zu „Gottes beharrlichem Re-bell“, „Impresario der Heiligkeiten“ oder aber vorab schlicht zum „Sklaven der Bil-der“ machten.17 Seine Medienpräsenz und deren plakative Oberfläche hatten den Blick auf seine in der Kirche keineswegs unumstrittene, nach Meinung des Philoso-phen P. Sloterdijk „mittelmäßige“ Theologie verstellt, die auch inhaltlich auf den Durchschnitt zielte. Denn indem Johannes Paul die Masse heilig war, wurde auch die Heiligkeit zur Masse. Während der 27 Jahre seines Pontifikats erfolgten fast dreimal so viele Selig- und Heiligsprechungen wie in den zwei Jahrtausenden zuvor – die Banalisierung der Tradition, die einer gewandelten Weltsicht und ihren Führern den Vortritt lassen mußte.

Konziliare Ambivalenz und das Tatkonzept des Papstes wurden zum methodischen Tandem, das die Kirche „massentauglich“ machte und dem Denken des New Age verähnlichte. Denn deren Öffnung „offenbarte“ zwei Hauptakzente: die esoterische Sicht der Welt als „Prisma der Wahrheit“, als plurales Erfühlen ihrer „Ganzheitlich-keit“ sowie die Familienähnlichkeit mit dem Islam.18 Dabei überschritt nicht nur die Frömmigkeit des Pontifex die „sichtbaren Grenzen“, sondern auch seine Popularität, die ihn in eine Reihe mit den Weltspitzen in Politik, Gesellschaft und Entertainment stellte.

Das subjektive „Prisma“ der pluralistischen Momentsicht zerlegte dabei die objekti-ven Folgen seines Schaffens in Fragmente, deren langfristiges Zusammenwirken erst allmählich zum Vorschein kam. Zunächst setzte sich das Konzept so erfolgreich durch, daß Johannes Paul bei seinem Besuch 1985 in Marokko den Fusionswillen des Konzils als erfüllt verkündete: „Wir Christen und Moslems als Gläubige und als Menschen haben viele Gemeinsamkeiten … Wir glauben an denselben einzigen Gott.“19 Die Deutsche Bischofskonferenz folgte dieser Sicht zwar mit einiger Verzö-gerung, bot sie dafür jedoch gleich als praktische Basis für das weitere Leben mit den Muslimen an.20

Die Frage, warum und wie die Christen und Juden „denselben Gott“ anbeten sollen, der in Koran und Islamtradition als Gegenentwurf auftritt (s. u.), blieb unbeantwortet und erschien der wachsenden Zunft der „Islamreferenten“ ohnehin „fundamentalis-tisch“. Sie sind der aktive Kader, der das neue Weltbild, den „Strukturwandel“ in das islamisch geprägte „Gute“, betreiben und sich gegen das Eigene als „das Andere“ abgrenzen muß. Denn in der neuen Zeitkirche kann sich ihr Menschsein nur „selbst vollbringen“, wenn es sich in der Begegnung mit dem Anderen „verwandelt“ – das perfekte Pendant zum Islam, dessen Menschen sich nur „vollbringen“, wenn sie den Kompromiß meiden und das Andere überwinden. In den Dialog-Referenten treffen sie auf Menschen, deren Bewußtsein durch die Codes der modernen Korrektheit ähnlich hart auf Anpassung getrimmt ist wie ihr eigenes auf Dominanz durch das Gesetz Allahs. Im öffentlichen Wettbewerb entsteht dabei ein Trend, wie Benedikt XVI. kritisch anmerkt, sich vom „Wohlwollen der Massenmedien“ abhängig zu ma-chen und das kirchliche Leben auf „sterilen Aktivismus und politisches Kalkül mit weltlichem Charakter zu verkürzen“.21

Im Zeitalter der globalen Information wird die Inszenierung zur notwendigen Bedin-gung der Massenexistenz. Ob in Politik oder Sport, Wissen oder Glaube, Kunst oder Unterhaltung – die momentanen Oberflächen des „Event“ und schauspielbegabter Führer ersticken die Tiefe inhaltlicher Bedeutungen. Je nachhaltiger Bilder und Technik das Denken zerstreuen, je lauter der Dauerlärm das Bewußtsein überdröhnt, desto reflexhafter reagiert der Massenmensch auf kognitive Reize, die das Unterbe-wußtsein aktivieren und nach suchtbildender Entspannung und Anbetung austausch-barer Personen verlangen. Als unabweisbare Konsequenz ergab sich, daß nicht mehr die Kirche die Masse kultivierte, sondern die Masse die Kirche entgeistigte.

Schon der „Konzilsberater“ Schillebeeckx hatte bekannt, daß man „doppelsinnige Ausdrücke“ brauche, wenn man den Machtanspruch der Kirche beenden wolle.22 Denn indem ein bestimmtes Verhalten belohnt und die Abweichung stigmatisiert wird, entsteht eine geistige Normierung, die auch das Gewissen gleichschaltet. Dem „Mainstream“ schließen sich um so mehr Menschen an, je mehr Vorteile ihre Kon-formität erschließt. Mit einer von außen erzwungenen Ganzheit und Führung entste-hen allerdings auch problematische Masseneffekte. Es tauchen Merkmale eines neu-en Faschismus auf, ebenso wie sich mit dem islamischen Wandel ein ungewollter Antijudaismus einstellt.23

Der christliche Gedanke bleibt dabei auf der Strecke, nicht nur weil er Individualität, Bildung und Stille braucht. Im Zuge des Massentrends sieht er sich einer zunehmen-den Christophobie ausgesetzt, denn er bedingt das unabhängige Gewissen, das mit einer distanzierten Vernunft einhergeht. Die Verbindung beider gewährleistet jenes Optimum an individueller Urteilskraft und Beachtung menschlicher Machtgrenzen, das überhaupt erst durch die christliche Offenbarung „denkbar“ wurde. Denn das singuläre Ereignis des Jesus Christus öffnete mit der metaphysischen Kategorie auch jene dritte Ebene, die den Menschen aus manichäischem Feindbilddenken heraushob und ihn befähigte, seine Existenz bewußt wahrzunehmen, ohne Teil einer Masse zu sein. Gott hatte ihn mit seinem Namen gerufen und ihm die freie Entscheidung ange-boten, sich einem Neuen Bund anzuschließen – eine nicht nur im Islam völlig unbe-kannte Qualität.

Allerdings war der Mensch nun auch an der jesuanischen Sündenprüfung, am „Wurf des ersten Steins“, zu messen. Im christlichen Glauben an die Auferstehung finden freier Wille und Erlösung eine untrennbare Verbindung, die nicht nur eine hohe Ethik, sondern das allgegenwärtige und historisch oft bestätigte Risiko der Selbstver-gottung enthält. Während die „Transzendenz der Tat“ dieses Risiko zu bestätigen scheint, ist um so mehr das Integrum des christlichen Gewissens gefragt, sich der Verantwortung gegenüber „Weg, Wahrheit und Leben“ Christi ständig neu zu „ver-gewissern“. Wie schwierig dieser Grat in seinem ethischen und intellektuellen An-spruch ist, hatten wiederum die Enthusiasten des Konzils bestätigt. Sie setzten die kirchliche Variante des Vermassungskonzepts in Gang, eine Kombination von neuen Leitsätzen, deren wichtigster im kategorischen Gebot besteht, „nicht hinter das Kon-zil zurückzufallen“.

Mit dem „einen Gott“ schwindet die christliche Fähigkeit zur Differenzierung, zur „Unterscheidung der Geister“, ohne die auch keine Begriffe von Wahrheit und Zeit entstehen. In das entstehende Vakuum rückt der „neue Gott“, der Allah der Muslime ein. Er profitiert von der charismatischen Konkurrenz des „Dialogs“, weil sein abso-lutes Gesetz die relativen, „doppelsinnigen Begriffe“ zum Nutzen des Islam gleich-schaltet. So zieht er wachsende Vorteile aus dem amputierten Bewußtsein der Kir-che, das sich vom eigenen Wissen und Gewissen trennt. In einen rasch schrumpfen-den Zeithorizont gestellt, zwingt der „neue“ innerkirchliche Gehorsam die Hirten und Referenten, sich den fabrizierten Lehren, bevorzugt dem proislamischen Alternativ-konzept, zu öffnen.

Indem die Zeitkirche „nicht hinter das Konzil zurückfiel“, die Offenbarung Christi zum „Prophetentum“ und das Christentum zu einer islamisch kompatiblen, „abraha-mitischen Religion“ umwidmete, begann sie einen epochalen Großversuch. Mit dem Zeitsprung ging ein enormer Denkschnitt einher, der die „islamische Wandlung“ zum Weltbild machen kann. Wenngleich an sich schwierig genug, war die sogenann-te „Augenhöhe“ nur mit dieser fundamentalen Sichtverengung zu erreichen. Denn die Kultur Allahs beruht auf einer gänzlich anderen geistigen Basis und politsozialen Lebensmitte und versteht sich ausdrücklich als Gegenentwurf zur jüdisch-christlichen Zivilisation.

III. Islam und Opfer

Das Verfahren der Wissens- und Bewußtseinslöschung ist historisch bewährt und könnte vom Islamverkünder Muhammad selbst übernommen sein. Der hatte seiner-zeit das Konzept der „Djahiliya“ (arab.: Unwissenheit) entwickelt und den „Rück-fall“ in vorislamisches Denken, Wissen und Verhalten als strafbares Ketzertum ver-worfen. Dazu gehören alle anderen Religionen, in besonderem Sinne auch das Juden- und Christentum, deren Schriften Muhammad zu „Verfälschungen der Wahrheit“ erklärte. Da der Koran seinerseits eine seit ewig existente, absolut gültige und damit unveränderbare Schrift sein soll, hat sich an dieser Sicht bis heute nichts geändert.

Stellvertretend für den kirchlichen Verlust des Unterscheidungsvermögens agierte das Mainzer Bistum, das den Krypto-Islamisten Nadeem Elyas am 11.9.2002 de-monstrativ im Dom „predigen“ ließ. Es schien nicht nur keine Rolle zu spielen, daß der Redner als Muslimbruder auch einer in der Terrorfinanzierung engagierten Orga-nisation (Rabita) angehörte.24 Vor allem schien der verengte Horizont seiner „geistli-chen“ Zuhörer die Erkenntnis zu blockieren, daß sie der Vortragende offen verhöhn-te.

Immerhin referierte Elyas unter anderem über den Gewaltbegriff im Islam, dem zufolge es „eine Sünde“ sei, „Unschuldige zu töten“. Hätten die Anwesenden über den verordneten Formelraster vom „Frieden des Islam“ hinausschauen können, wäre ihnen ihr Handeln weniger „transzendent“ erschienen. Denn nach islamischer Ideo-logie macht sich jeder „schuldig“, der kein Muslim ist, und lädt ganz besondere „Schuld“ auf sich, wenn er vom Islam erfährt und ihn dennoch nicht annimmt.

Im Islam wird nichts härter bekämpft als der Dekalog der Juden und die trinitarische Gottesvorstellung der Christen. Permanente Todesdrohung im Diesseits sowie Ausschluß vom Paradies und Auslieferung ans Höllenfeuer sind ihnen sicher. Denn beide, Juden- und Christentum, stellen Basisprinzipien der islamischen Politik in Frage: Sie lassen Rationalität außerhalb der Religion zu und ziehen menschliche Macht über Menschen in Zweifel. Solche politreligiösen „Bremsklötze“ sind im Islam unwillkommen, weil sie die kategorische Machtlegitimation durch Koran und Prophetentradition gefährden, die Allah allen Muslimen als gesetzliche Pflicht (Scha-ria) auferlegt.

Kreuzestod und Auferstehung Christi müssen daher konsequent geleugnet werden. Sie schärfen das Bewußtsein für eine Welt, die permanent durch die Sinnlosigkeit purer Macht bedroht ist. Mit dem Islam wird jedoch der Herrschaftsanspruch des Menschen über den Menschen welthistorisch reaktiviert, damit zugleich auch wieder der Zugang zur freien Glaubensentscheidung versperrt. Hier scheinen Parallelen zur gnostischen „Erleuchtung“ auf, deren moderne Version Schnittstellen zu den Eliten des Islam bildet, mit der Folge massiver islamischer Migration und Propaganda in Europa. Figuren wie Solana, Prodi und Blair erscheinen zuweilen wie Ersatzimame, die Religion und Politik verbinden, indem sie Allah und seine Gemeinschaft zur neuen Leitlinie machen. Die organisierten Esoteriker auf EU-Ebene haben inzwi-schen den jüdisch-christlichen Gottesbegriff gestrichen und die „islamische Mit¬eignerschaft an Europa“ beschlossen.25

Ähnlich konträr stellt sich die „Abrahamizität“ der Muslime zur jüdisch-christlichen Sicht. Schon Muhammad hatte das muslimische Sein im kriegerischen Nomadentum und nicht im friedlichen Landbau geortet. Diese fundamentale Weichenstellung ist in Koran und Tradition unveränderbar grundgelegt, wenngleich ihre Lebensform die Nomaden zu lockerem Glaubensvollzug sowie in historischer Wechselwirkung mit den Städten bzw. unter dem Einfluß der wirtschaftlichen Moderne zu allmählicher Ansiedlung zwang.

Theologisch blieb der biblische Abraham jedoch als Begründer der Seßhaftigkeit verworfen und mit ihm der Gott, der das Menschenopfer beendete. Die Betonung der kriegerischen Gesellungsform verhinderte im Islam den klaren Durchbruch zur be-wußten Achtung des menschlichen Lebens als religiöse Maxime. Indem sich Abra-ham auf dem von Jahwe verheißenen Land niederließ, umfaßte seine Achtung dage-gen nicht nur eigenes, sondern auch fremdes Leben. Und indem er Sarah nicht unter einem Steinhaufen verscharrte, wie in seiner Zeit und in entlegenen Zonen des Islam teilweise noch heute üblich, sondern ihr eine Grabstätte errichtete, erhielt die Frau die ihr gebührende, allerdings unislamische Würde und Gleichstellung.

Da es sich hier um einen metaphysischen Kontext mit konkreten, politsozialen Fol-gen handelt, haben auch die Säulen des islamischen Gegenentwurfs bis heute Be-stand: die Abwertung der Frau und das Daueropfer des ungläubigen Menschenle-bens, das im ständigen „Djihad auf dem Wege Allahs“ dargebracht wird. Dabei reicht die Metaphysik bis ins physische Detail: Im Gegensatz zum biblischen Brand-opfer (Gen. 22) gibt Allah ein magisch begabtes Schächtmesser an Hand (37/99ff.), das bis heute seine Kämpfer dazu bringt, ihren Opfern die Kehlen durch- bzw. die Köpfe abzuschneiden.

Schon der Umayyadenkalif Abd al-Malik (gest. 705) setzte im Jahre 691 mit dem Bau des Felsendoms in Jerusalem ein Zeichen von großer Tragweite. Mit dem Na-men der „entfernten Moschee“ (arab.: al-masdjid al-aqsa) dehnte sich der heilige Bereich von Mekka nach Jerusalem aus, um Christen- und Judentum über den Koran hinaus auch in deren Stammgebiet zu vereinnahmen. Das Mißlingen der Opferkon¬stellation Abraham-Ismael bestätigte sich erneut: Nun waren beide zu Erbauern der Kaaba und das Tieropfer zum integralen Teil der Wallfahrt geworden.

Ebenso ließen die Inschriften des neuen Heiligtums keinen Zweifel daran, daß sich die abgelehnte Gestalt des Jesus Christus ihres Aspekts im dreieinigen Gott entledi-gen und als prophetischer Vorläufer Muhammads der Ägide Allahs unterstellen würde. In der islamischen Eschatologie ist er der Helfer des Jüngsten Gerichts, der den Willen Allahs erfüllt und – in Vollendung des Menschenopfers im Jenseits – alle Restchristen tötet.26 Die Christen waren also gut beraten, sich dem „Schutzvertrag“ (dhimma) der Muslime zu unterwerfen und den Tribut, wie es koranisch heißt, „de-mütig zu entrichten“ (9/29), wenn sie Wert darauf legten, nicht schon im Diesseits geopfert zu werden.

Deutlichen Ausdruck fand das archaisch erneuerte Machtkonzept in den historischen Eroberungswellen im 7. und 8. Jahrhundert unter den Arabern sowie zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert unter den Türken. Sie praktizierten den „Djihad“, die von Allah geforderte Unterwerfung und/oder Vernichtung der Nichtmuslime. An Bei-spielen für den zwanghaften Vollzug des koranischen Menschenopfers besteht kein Mangel. Berühmt wurde der Befehl des Osmanensultans Bayezid, den unterlegenen Christen auf dem Amselfeld die Kehlen durchzuschneiden27, detailliert schildern die Sekretäre Saladins, wie Lessings Toleranzfürst die „Anhänger der christlichen Lüge“ opferte, indem er den „Anhängern der islamischen Wahrheit“ Kopfgeld zahlte,28 stolz berichten die Chronisten über die Schädelpyramiden des „toleranten Andalu-sien“. Der Verkünder Muhammad demonstrierte selbst, wie man die „Feinde des Islam“ ausschaltet,29 und erteilte der Nachwelt die passende Lizenz: „Meine Gemein-schaft wird in zwei Teile zerfallen, in Abweichler und Gläubige, wobei letztere die Pflicht haben, erstere zu töten.“30

Da allein die Existenz der Nichtmuslime einen Angriff auf den Geltungsanspruch des Islam bedeutet, rechtfertigen die Muslime jede Aggression als „Akt der Verteidi-gung“. Auch die Radikalmuslime unserer Zeit berufen sich auf diese Doktrin. Dabei wissen sie die höchsten Spitzen des Weltislam – Azhar-Scheich und Medina-Imam – an ihrer Seite, die die Vernichtung „der Feinde Allahs“ – inklusive Selbstmordatten-tat – zum integralen und damit legitimen Teil des „Glaubens“ erklären. Sie alle stüt-zen sich auf den Koran als das ewige Manifest islamischer Dominanz. Dessen oft doppelsinniger, dabei „unwandelbarer“ Text erwies sich als so ergiebige Machtquel-le, daß sie vielen als Wunder erschien. Denn „auf dem Wege Allahs“, d. h. im Ver-fahren der charismatischen Abrogation (Entkräftung), hatte die islamische Theologie bis etwa 1500 alle für Frauen und Ungläubige günstigen Verse des Koran für ungül-tig erklärt.

Über die Jahrhunderte setzte sich die Opferpraxis des Islam im Schleichgenozid an den Christen fort – mit dem Extremreflex des Massenmords an den Armeniern zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dabei geht die totalitäre Herrschaft Allahs nicht nur auf den Machthaber als Lenker des muslimischen Staats über. Innerhalb der koranischen Charismatik kann sie sich jeder Muslim aneignen, der den Anspruch erhebt, den Nutzen des Islam zu mehren. Das Spektrum des Nutzens spannt sich weit: von der Züchtigung der ungehorsamen Frau über die Täuschung und Bedrohung der Ungläu-bigen und den Auftragsmord an Kritikern, der via „Gebet“ in der Moschee oder im Internet erteilt wird, bis hin zu den Kriegen und Massakern der Geschichte.

Deren Systematik nährt sich aus zwei Impulsen: aus der archaischen Opfermechanik und Muhammads rigoroser Vorbildwirkung, die in der Familie beginnt. Der korrekte „Glaube“ ergibt sich aus sozialem Kontrolldruck, der die gesamte Existenz in den Griff nimmt und ein allgegenwärtiges Mißtrauen erzeugt. Nach dem Grundsatz „kei-ner trage des anderen Last“ (6/165) spornt es die „Gläubigen“ zu ständiger Beobach-tung und gegenseitiger Übervorteilung an.31 Das Charisma des schariatischen Geset-zes formt das kollektive Bewußtsein, in dem die Menschen um die Mehrung des „islamischen Nutzens“ im Allgemeinen und der „Ehre“ im Besonderen konkurrieren. Der „Ehrenmord“ erscheint somit als Beitrag des „guten Muslim“ zum Djihad, als die islamische Version der „transzendenten Tat“, deren Linientreue bis zum Men-schenopfer gehen kann.

Zwar muß nicht immer Gewalt im Spiele sein, wie auch dem „Dialog“ zufolge der Islam kein „Monolith“ ist, sondern in viele friedliche Facetten zerfällt. Und doch sind alle Weichenstellungen der Geschichte monolithisch gegen den Unglauben gefallen, weil die islamische „Ethik“ keine Kompromisse zuläßt. Dennoch waren sie dort möglich, wo sich humane Ausnahmemuslime über die „göttlichen Vorschriften“ hinwegsetzten. Diesen Sachverhalt bestätigen die westlichen Proislamisten selbst, indem sie unentwegt das „Toleranzmodell Cordoba“ beschwören, jene kurze andalu-sische Kulturblüte der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts, die weder Vorläufer noch Nachfolger hatte.

Um so weniger sind Kreuzzüge und/oder Inquisition zur retroaktiven Rechtfertigung islamischer Gewalt geeignet, weil sie – ohne tragfähige Grundlage – längst zu den Akten der Geschichte gelegt sind. Wenn die „Islamreferenten“ unserer Tage sie ständig im Munde führen, beweist der erneute Zeitsprung nicht nur den Denkschnitt, sondern auch den Loyalitätswechsel. Sie zeigen sich dem Nutzen des Islam ver-pflichtet, der zur ständigen Verfeinerung der Täuschung auffordert. Zu deren „gemä-ßigteren“ Varianten gehört es, dem Existenzanspruch des „alten“ Weltbilds – Chris-tentum und Demokratie – die Stigmata der „Intoleranz“, „Islamophobie“, „Rassis-mus“ etc. aufzudrücken.

Da der westliche Immunschutz die virtuelle Gewaltspirale Allahs aktuell nicht wür-digt, konnte sich die islamweite, geradezu „monolithische“ Forderung nach der Ver-nichtung Israels ungestört etablieren. Indem sie die palästinensischen Terrorgruppen stetig aufwerten und ihre Finanzierung sichern, treten die EU-Spitzen als indirekte Sympathisanten dieser Ideologie auf. Weder stellen sie sich eindeutig gegen die zynische Politik des Iran, noch nahmen sie je den Machtwillen der Muslimbruder-schaft zur Kenntnis: „Israel besteht, bis der Islam es auslöscht.“ Um so isolierter steht die einzige Anweisung im Koran, die zum Erhalt des Lebens auffordert und noch dazu von den Juden übernommen ist (5/33). Gleichwohl bleibt deren Vernichtung das primäre Ziel, wobei in beklemmendem Realismus die Shoah vorweggenommen scheint:

„O die ihr glaubt, bewahrt euch selbst und eure Angehörigen vor einem Feuer, des-sen Brennstoff Menschen und Steine sind und über das strenge, hartherzige Engel gesetzt sind, starke und gestrenge, die gegen Allahs Befehl nicht widerspenstig tun, was sie geheißen sind (66/6) – Und eines Tages werden die Feinde Allahs zum Feuer versammelt werden, vorwärts getrieben, bis daß, wenn sie zu ihm gekommen sind, ihre Augen und Ohren und ihre Haut Zeugnis wider sie ablegen für ihr Tun (41/19f.) – Siehe, wer da unsere Zeichen verleugnet, den werden wir im Feuer brennen lassen, sooft ihre Haut verbrannt ist, geben wir ihnen eine andere Haut, damit sie die Strafe kosten (4/56) – Für diejenigen, die nicht glauben, sind Kleider aus Feuer geschnitten, gegossen wird siedendes Wasser über ihre Häupter (22/19) – Und siehe, es ist die Glut, welche die Kopfhaut abzieht (70/15) – Sooft sie aus Angst zu entrinnen suchen, sollen sie zurückgetrieben werden: ‚Kostet die Strafe des Verbrennens’ (22/22).“

IV. „Dialog“ als Religion?

Diese Passagen bilden nur einen Querschnitt durch das nekrophile Machtmanifest Allahs. In seiner eschatologischen Massenform ist das kollektive Menschenopfer, das sich in historischen Durchbrüchen seiner selbst „vergewissert“, allerdings nicht mit dem magischen Messer, sondern mit Rückgriff auf den biblischen Ursprung des Brandopfers zu bewältigen. Triumphale Bestätigung erfuhr es, in islamweiten Dank-gottesdiensten zelebriert, als am 11. September 2001 in den brennenden Türmen von New York Tausende von Menschen regelrecht verdampften. Während sich die At-tentäter auf den Koran beriefen, wehrten sich die westlichen Proislamisten gegen die Befleckung ihres Heilsobjekts. Erneut war es „nicht der Islam“, sondern der „Mißbrauch“ von Allahs Wort.

Getreu dem anschaulichen Bild von der „Herde trojanischer Pferde“, ahmen sie ein Muster nach, das sich in der islamischen Geschichte oft wiederholte. Immer wieder fanden sich Profiteure, die den Tribut der Unterwerfung „demütig“ entrichteten, indem sie die ihnen anvertrauten Menschen den Eroberern auslieferten. So wie es früher der „Ratschluß Gottes“ war, der Allah zum neuen Herrscher machte, ist es heute der „Respekt vor dem Frieden des Islam“, der jede Einrede als „Feindbild“ oder auch „Diffamierung des Dialogs“ abwehrt. Wann und wo immer islamische Gewalt verübt wird, sollen oft sogar die westlichen Opfer selbst den Angriff „provo-ziert“ haben.

Ist es unumgänglich, eine dem Islam immanente Gewalt einzuräumen, so sind es „nicht alle“, die sie ausüben, eine banale Feststellung mit fatalen Folgen. Während niemand „allen“ unterstellt, gewalttätig zu sein, können diejenigen, die es sind, ihre Kreise weiter ziehen. Derlei Schablonen erzeugen die Einbindung der „modernen“ Toleranz in die islamische Herrschaftsideologie, die sich vorläufig auf die subversive Wirkung der dialogischen Desinformation verlassen kann. Wer es auf die Legitima-tion von Gewalt anlegt, zunächst in verbo und später in praxi, braucht sich also nur auf die „Ethik des Koran“ zu berufen, wobei sich oft auch das Mantra „Kein Zwang im Glauben“ (2/256) bewährt. Um seine Wirkung zu sichern, sind jedoch die Grenz-strafen zu verschweigen, mit denen das Gesetz Allahs die islamischen Gefängnisse füllt, die Abweichler/innen zu Gehorsam zwingt oder aber liquidiert. Wenn jedoch die ultimative Gleichschaltung erreicht ist, kann „in der Tat“ der Zwang entfallen und auch der „Frieden des Islam“ auf seine Weise Wahrheitsgehalt erlangen.

Hinweise auf die durchgängig aggressive Systematik, die sich im Verbund von Ko-ran, Tradition, den Fakten der Geschichte und ihrer Fortführung im aktuellen Terro-rismus ausdrückt, zerschellen an den „Dialog“-Monolithen vom Islam als „Frieden“ und Djihad als „Anstrengung im Glauben“. Jede anderslautende Wertung trägt ihrem Urheber eine angemessene Zuordnung im Kontrollraster unkorrekten Denkens ein: Polarisierung – Polemik – obskure Quellen – Islamophobie – Intoleranz – Feindbild Islam – Diffamierung – Menschenrechtsfundamentalismus – Verschwörung – Volksverhetzung – Rassismus.

Mit der Drift in islamisch korrektes Verhalten geraten die Protagonisten ihrerseits in einen problematischen Sog, dessen Lohn- und Strafdynamik ihr Feindbilddenken verstärkt. Es bildet sich ein virtuell totalitäres Potential, indem man ein als verboten erkanntes Eigenmotiv – radikale Dominanz – auf „die anderen“ projiziert, um durch deren Lähmung den eigenen Freiraum, also die „Transzendenz der Tat“, zu aktivie-ren. Ebenso entsteht hier die interkulturelle Umkehrlogik, die Täter in Opfer verwan-delt und jede Kritik am islamischen Gewaltsyndrom blockiert. Warum und inwieweit dieses „Denken“ in die Kirche einfließen konnte, ist vorstehend skizziert.

In diversen Büchern und Beiträgen hat der Autor dieses Artikels die wesentlichen Aspekte des Kulturdiskurses Islam – Westen zur Debatte gestellt. Neben vielen, nicht nur zustimmenden Rezensionen, die allerdings auf Argumente eingehen, liefert die in dieser Zeitschrift (6/05) erschienene Wertung des Islamreferats des Erzbistums Köln – „Diffamierter Dialog“ – ein gutes Beispiel für die intrinsische Gedankenarmut des – nominell katholischen – „Dialogs mit dem Islam“. In beeindruckender Präzision präsentiert sich der „Referent“ als Produkt der dialogischen Reflexmechanik. Von „Polarisierung“ über „Diffamierung“, „übler Polemik“ und „Verschwörung“ bis hin zur obligaten „Hetze“ stellt er das aggressive Propagandaspektrum seiner Zunft vor. Die subjektive Überzeugung ist ihm in jedem Falle abzunehmen. Denn derjenige, dessen Wissen die gebotenen Stereotypen übersteigt und Unterschiede zwischen Christengott und Allah erkennt, eignet sich objektiv nicht zum Islamreferenten in der Kirche.

Wie alle Anhänger des Dialogs im Sinne der „islamischen Verwandlung“ (s. o.) ist er Opfer der obligatorischen Selbstzensur. Hier ist keine Alternative zum binären Schwarz-Weiß-Raster möglich, um den verordneten Weg zur „Freiheit des Guten“ nicht zu versperren. Die Folge ist ein physikalischer Feindbildraster, der jeden Ab-weichler vom eingeschalteten Gleichstrom zuverlässig erfaßt. Dieser Wahrneh-mungsform, der natürlich „nicht alle“ Referenten verfallen, bleibt als einzige Katego-rie das alternativlose und somit auch endlos wiederholte Vor-Urteil, das den „Dia-log“ zum Monolog macht.

Wer zu darüber hinausgehendem Wissen fähig ist, kann dagegen Zusammenhänge erkennen und logische, also auch katholische Denktradition praktizieren, die Bene-dikt „Betrachtung des geistigen Ganzen“ nennt.32 Wer die dritte Ebene des Aus-gleichs erreicht, die ein Bewußtsein von sich selbst und dem Anderen umfaßt, kann sich vom Vor-Urteil befreien und aufgeklärte Toleranz üben. Wer sich hingegen dieser trinären Wahrnehmung verweigert, wird Teil des „modernen“ Massengewis-sens, das in der vormodernen Glaubenskonserve des Islam eine offenbar passende Heimstatt findet.

Gleiche Bedingungen vorausgesetzt, ist das Dialogmetier auf ein striktes Käfigden-ken mit Bildungsverbot verwiesen, nicht unähnlich der islamischen Praxis, die unis-lamisches Wissen als „Beschmutzung“ betrachtet. Das oft geforderte „Lernen vom Islam“ ist also im Sinne dieser Indoktrination zu verstehen. Insofern tat der Kölner Referent nur seine Pflicht, als er dem kritischen Islamwissenschaftler „Unwissen-schaftlichkeit“ vorhielt. Durch den Verzicht auf Begründungen bewies er zugleich, daß er als Produkt des Formelrasters dem Berufsbild des „Dialogreferenten“ ent-spricht, der zum kompetenten, informierten Diskurs weder bereit noch in der Lage sein darf.

Dabei bleibt der Wettbewerb, der im „Dialog“ um irreführende Begriffe ringt, um sie als Wurfgeschosse gegen unliebsame Autoren zu verwenden, nicht bei der verbalen Steinigung stehen. Er bricht dort zur Anwaltschaft von Gewalt durch, wo er sich mit dem islamischen Radikalismus verbindet. Wie gesehen, liefert der Koran die Cha-rismatik, die das Führerprinzip einer jeden Ideologie braucht. Die Aktivisten „auf dem Wege Allahs“, die Feinde und sonstige Hindernisse des Islam beseitigen, dürfen somit – im Diesseits wie im Jenseits – eine weit höhere Gunst des „Erbarmers“ er-warten als die Passiven, die sich dem Kampf entziehen und eine friedliche Koexis-tenz eingehen wollen (4/95).

Unser Referent macht keinen Hehl daraus, sich bereits „auf dem Wege Allahs“ zu befinden, ohne freilich die Tragweite bzw. „Transzendenz“ seiner Handlung zu über-schauen, weil er – islamisch korrekt – das erforderliche Wissen scheut. Er will „in dieser Zeit des Gegenwinds, der auch alle betreffe, die für den Dialog einstünden, sich nicht mit dem Rücken zum Wind drehen, sondern gemeinsam mit den Musli-men weitergehen, gegen den Wind.“33 Obwohl weitgehend automatisiert, kann uns das Denken und Sprechen dieses aufrechten Kadermanns jene latente Freude vermit-teln, sich nicht nur „in der Begegnung verwandeln zu lassen“, sondern vielleicht auch ohne Konversion im Islam angekommen zu sein. Viele Referenten verschreckt in-zwischen kaum etwas so sehr wie der Vorwurf des „christlichen Fundamentalisten“, der reflexhaft und vielstimmig ertönt, wenn sie gar zu offen für den dreifaltigen Gott eintreten.

Um so ungestörter kann eine wachsende Zahl von tatsächlichen oder selbsternannten Imamen zu jener speziellen Form des „Glaubens“ oder auch „Gottesdienstes“ aufru-fen, die an die Pflicht zur gewaltsamen Ausbreitung des Islam gemahnt. Bekanntes Beispiel ist der gegen den Autor dieses Artikels formulierte Mordaufruf des „Islami-schen Weges“ bzw. der Website „Muslim-Markt“, gegen deren gemeinsamen Betreiber die zuständige Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hat. Obwohl vom obli-gaten „Generalverdacht“ befreit, sind indessen die Islamvereine, mit denen u. a. auch das Kölner Bistum in Verbindung steht, keineswegs über den Verdacht erhaben, ein Potential für die aktuelle Durchführung dieser „Glaubenspflicht“ zu beinhalten.

Sie alle sind direkt und/oder indirekt durch Verbindungen zu radikalen Kontakten ins Gerede gekommen. Kein Wunder also, daß sich manche Islamreferenten durch die Beamten des Staatsschutzes und ihre Kontrollaktivitäten gestört fühlen. Auch im Kölner Bistum möchte man nicht zurückstehen und bescheinigt den Staatsschützern eine „problematisch einseitige Sicht.“34 Um so willkommener ist die Kooperation mit den Islamisten, zu der u. a. der Vertrieb der islamisch korrekten Autorenschelte über den Website-Kanal des radikalen „Muslim-Markt“ gehört.

Papst Benedikt hat dagegen subtile Signale gesetzt, die einen modifizierten Dialog einleiten, allerdings auch ein differenziertes Denken verlangen. Innerhalb einer oh-nehin schrumpfenden Intellektualität zeigt der kirchliche Diskurs eine gedankliche Monotonie, die sich durch jahrelange Abwehr alternativen Wissens konformistisch vergröbert hat. Da es sich hier um ein Generationenproblem handelt, wird man selbst bei gutem Willen vorerst kaum das geistige Potential aktivieren können, das den Ansprüchen des neuen Papstes gerecht würde. Um so mehr sollte jedem Bemühen jene christliche Milde zuteil werden, die unter anderem vorsieht, niemanden über sein Können hinaus zu belasten.

V. Die Wahrheit Benedikts XVI.

Als Mindestleistung ist von den Referenten zu erwarten, sich dem zu öffnen, was ihnen der Pontifex zu sagen hat: „Der wahre Sinn der Lehrgewalt des Papstes besteht darin, daß er Anwalt des christlichen Gedächtnisses ist.“35 Damit ist weder die eklek-tische Auslegung der islamischen Geschichte noch die Anwaltschaft Allahs, sondern der simple „Rückfall hinter das Konzil“ gemeint, die Wahrheitssuche des Gewissens, welche die eigene Tradition – ob gelungen oder gescheitert – nicht verleugnet. Diese Suche soll auf den Stempel moderner Normierung verzichten und das um so leben-digere Gegenstück zu jener Sinnstarre bilden, in die sich das Bewußtseinsdiktat vom „Wandel durch islamische Annäherung“ manövriert hat.

Schon im Positionspapier „Dominus Iesus“ von 2001 erregte der Glaubenspräfekt Ratzinger Aufsehen mit der Rückkehr zur Einzigartigkeit der Kirche und der Aufzäh-lung ihrer unaufgebbaren, allerdings schon halb vergessenen Wahrheiten, vor allem der Endgültigkeit der Offenbarung Christi. Obwohl die nichtchristlichen Religionen hier unvollkommen erscheinen, weil sie andere Wahrheiten vertreten, billigt er ihnen eine begrenzte „Heilswirksamkeit“ zu. Das daraus abgeleitete Konstrukt des „Myste-riums der Einheit“ wiederholt der Präfekt später nicht mehr. Ihm ist eine „defizitäre Situation“ der Nichtchristen bewußt, die um so mehr die Heilsnotwendigkeit der Kirche bestätigt.36

Die daraus folgende, vom „Dialog“ sorgfältig gemiedene Frage ist es allerdings, welche Wahrheit diese Heilsordnung schafft und welches Gewicht sie im Verhältnis zu den anderen Religionen hat. Kurioserweise wollen zuletzt die Referenten auf ihren „Dialog“ verzichten, obwohl sie sich selbst erübrigen. Denn seit dem Konzil kann jeder „Dialog“ entfallen, weil alle Religionen und Wahrheiten gleichwertig sein sollen. Ihre bange Frage, ob denn der neue Papst die islamfreundliche und damit einträgliche Linie seines Vorgängers fortführen würde, war zudem doppelt müßig, weil sie sich auch aus seinen Werken beantwortete. Sie lassen kein Interesse an den proislamischen Spektakeln seines Vorgängers erkennen, schon gar nicht an Aussa-gen, die selbst die Muslime beunruhigten: „Ich sehe zwischen Christen und Musli-men keinen Unterschied.“37

Als präziser Denker sowie geschulter Theologe und Philosoph wird der neue Papst kaum an die wolkigen Monologe seines Vorgängers anknüpfen. Gerade weil er sich der Kirchensprache bedient, die zumeist zurückhaltend, aber nicht doppelsinnig ist, stechen einige seiner Aussagen über die pluralistische Religionstheologie um so klarer hervor. Er spricht von „dilettantischen“ und „unrealistischen“ Versuchen und lehnt die technisch fabrizierte Experimentalreligion ab, mit der die globalen Macher die jüdisch-christliche Zivilisation derzeit in einen „kulturgeschichtlichen Natur-schutzpark“ abdrängen.

Für Benedikt fängt die Kultur selbst mit dem Glauben an, einer der wesentlichen Gründe für seine Skepsis gegenüber der bisherigen Dialogform, in der der Glaube – zumindest der christliche – keine konstitutive Rolle spielt. „Pilger der Wahrheit müs-sen wir sein“, sagt er statt dessen, denn ohne Wahrheit gibt es weder einen freien Willen, noch das Gewissen von Gut und Böse, also auch keine Toleranz. Hier sieht er die Verantwortung derjenigen, die im Dialog die Zukunft der Menschen bestim-men – eine Pflicht, deren Komplexität den einfältigen Formelkasten der „Dialog“-Technokraten weit übersteigt.

Auch und gerade die telegenen Meditationen Johannes Pauls waren weder geeignet noch dazu vorgesehen, die unklare Anbetungsfigur zu präzisieren, die er in seinen teilweise gigantischen Messen beschwor. P. Seewald brachte den Kontrast des Papstwechsels vom „leidenschaftlichen Schauspieler“ zum „brillanten Kopf“ auf einen kurzen, nicht minder gehaltvollen Nenner.38 Um so nachdenklicher macht Benedikts Warnung vor der Masse, dem „Werkzeug des Bösen“ für den, der sie kritiklos annimmt oder aber auch skrupellos instrumentalisiert. Wie er am Verrat des Pöbels an Jesus deutlich macht, kann die hypnotische Wirkung der Masse den Ein-zelmenschen in ein sich selbst entfremdendes Wesen verwandeln und „das Gewissen zerstören“.39

Von diesem Defekt in Mitleidenschaft gezogen waren Jesus als Heilsgestalt und die kirchliche Kontinuität mit dem Judentum, dessen metaphysische Rolle Benedikt in ganz besonderer Weise hervorhebt. Ohne eine konstruktive Einbindung der Juden wird sich das Gespräch mit den Muslimen, die ihren Judenhaß nur mühsam beherr-schen, kaum rational fortsetzen lassen. Während sein Vorgänger die esoterische Intuition anstrebte, bevorzugt der neue Papst die christliche Vernunft, die dem Glau-ben klare Konturen gibt und das Verständnis der Nächsten und Anderen erleichtert. Diese Vernunft, die nicht von außen aufgezwungen wird, sieht er als Königsweg zum Stifter der Kirche und damit zum Ausgleich mit dem politischen Pluralismus und den nichtchristlichen Religionen.

Um so weniger lassen die Quellen seines geistigen Schaffens erwarten, daß Benedikt nahtlos an die Lehren Johannes Pauls anschließt. Neben der praktischen Vernunft, die er dem unverbindlichen Gefühl entgegensetzt, sind es vor allem seine Begriffe von Glaube, Gewissen und Individualität, die ihn von seinem Vorgänger unterschei-den. Alle ergeben sich unmittelbar und zwingend aus der Polarität zwischen Theolo-gie und Theosophie, offenbartem und kosmischem Gott. Denn letzterer ist ein un-nahbarer, gnostischer, physikalischer Gott, dessen leviathanische Gleichgültigkeit alles Denken, Fühlen und Handeln in ein System der formbaren Masse lenkt.

Dagegen gibt der offenbarte Gott der Christen einen offenen Weg vor, auf dem der Mensch ständig um seine ganz eigene Verantwortung im Glauben ringt. Indem für den ehemaligen Präfekten „das eigentliche Opfer der gottgemäß gewordene Mensch“ ist,40 stellt er sich wiederholt und eindeutig gegen die existentielle, aber blinde Tat und zitiert dabei den relativistischen Theologen J. Knitter, der sie besser als Wojtyla selbst umschrieben hat: „Das Absolute kann man nicht begreifen, wohl aber tun.“41

Das Schrifttum Benedikts durchzieht die Sorge um die relativistisch bedrohte Kirche, die sich mit einem modernen Gnostizismus konfrontiert sieht. Er bringt das absolute Subjekt und die „transzendente Tat“ des Übermenschen hervor. Er verdrängt den offenbarten Gott durch die fabrizierten Hybridgötter aus den Welten der Produkte und der Kulturen, die ihrerseits zu Produkten werden. Kein Wunder also, daß die christophobe Elite bei der Papstwahl von 2005 erschrak, denn mit Benedikt kehren individuelles Bewußtsein und Gewissen zurück, mithin die Erinnerung an die christ-liche „Gottesebenbildlichkeit“.

Solches steht der globalen Vermassung und den Profiten der Islamisierung entgegen, und ruft die Regierenden zu humaner Verantwortung, zu christlich-jüdischer Ord-nung auf. So entsteht eine monströse Zumutung für die Eliten, die sich in der „isla-mischen Wandlung“ der Wahrheit des Stärksten verpflichtet sieht, denn schließlich fordert Allah, „daß keiner des anderen Last trage“ (s. o.). Da Benedikt sich zum An-walt der christlich-jüdischen Kultur und ihrer sozialen Zivilisation macht, müssen sich die „Deutungseliten“ mit ihm arrangieren, wenn sie sich nicht als „gut geordnete Räuberbande“ (Ratzinger) decouvrieren wollen. Denn je weniger objektives Wissen über den Islam sie zulassen, je „islamisch korrekter“ ihr Toleranzdiktat wird, desto mehr profitiert das Kalkül der islamischen Investoren und der von ihnen alimentierte Radikalislam, der mit wachsender Solidarität des „Dialogs“ seine Netzwerke in Eu-ropa ausbreitet.

Wie gesehen, beschränkte sich das bisherige Islamkonzept auf winzige, konstruierte Nenner, die den „Dialog“ in die Nähe einer Institution für organisierte Täuschung rückten. Sowohl die Elaborate der Bischofskonferenz als auch Konstrukte wie die Utopie eines Hans Küng offenbaren das grundsätzliche Dilemma, das die Akteure mit ihrer Loyalität haben. Der „Weltethiker“ wendet sich gegen die jüdisch-christliche Kultur, deren Wurzeln er retroaktiv im Islam angelegt sieht. Als logische Folge ergibt sich, das Recht des Islam zum „Heilsweg“ und den Koran zur „ethi-schen Ordnung“ zu erklären, aus denen sich wiederum die Gewalt als Folge des „religiösen Ergriffenseins“ ergibt.42

Der proislamischen Ausuferung stellt Benedikt die „Kultur der Wahrheit“ entgegen, die nicht weniger als eine christliche Revision des Konzils bedeutet. Die Dialogpart-ner sollen sich von ihren diversen Religionskonstrukten trennen und über die ge-wachsenen Gottesbilder klar werden, ohne sie zu Objekten der neoliberalen Global-strategie zu machen. Basis für das Umdenken ist der „aktive Gott“ der Christen, den man nicht in dröhnenden Massenaufläufen, sondern in stillen, individuellen Begeg-nungen erreicht, in denen sich der Geist der Menschen berühren kann. Wie der Vati-kankenner Orazio Petrosillo berichtet, wird auch solches nicht ohne Unterscheidun-gen ablaufen: „Der wichtigste Dialog ist der mit den Christen, dann der mit den Juden, die Brüder genannt werden, dann der Dialog mit dem Islam auf einer weit niedrigeren Dialogebene - die Muslime werden ‚Freunde’ genannt.“

Wiederholt betont Benedikt, daß nur in einer entspannten Verschiedenheit auch die Gemeinsamkeiten erkannt werden können, also die Grundrechte selbst. Indem sein Konzept die Zensur beendet, nimmt es dem bisherigen „Dialog“ die Unfreiheit und den Eliten das Machtmittel der „islamisch korrekten“ Irreführung. Setzt sich diese Korrektur fort, werden auch diejenigen zu Wort kommen, die man besonders ausge-grenzt hat: die freiheitlichen Muslime und vor allem die Frauen, ohne die der Islam-diskurs eine absurd „verhüllte“ Inszenierung bleiben wird. Als der Papst beim Welt-jugendtag 2005 Vertreter der Muslime empfing, standen alle unter dem Kreuz. Drei Jahre zuvor, befragt zur Reise zum dritten Assisi-Treffen, bei dem man Kreuze ver-hüllte, antwortete der Präfekt Ratzinger: „Sie sehen ja, ich fahre mit, aber ich sitze entgegen der Fahrtrichtung.“

Als „Anwalt des christlichen Gedächtnisses“ erinnert Benedikt vor allem an dieses Defizit des „Dialogs“. Indem seine Vertreter die Singularität der Erlösungstat Christi verschweigen, fixieren sie die Menschen auf einen Status konstruierter Schuld. So führt der Pontifex den großen Sokrates als Zeugen der Wahrheit an, der dem Gott-menschen voranging. Beide fragen nicht nach dem technischen Können, sondern nach dem moralischen Sollen, das bis zum individuellen Tod am (Ge)Wissen um Erlösung festhält. Es bekennt sich zum göttlich Unverfügbaren im menschlichen Sein, es bejaht das Leben, es begrenzt die Macht, und es tilgt die Schuld.

Aus der modernen Herstellung von Leben ergibt sich dagegen eine technische Ethik, die auch dessen Zerstörung legitimiert – die ultimative Schnittstelle mit der Ideologie des Islam. Hier ist es die optimierte Verteilung der männlichen Potenz auf die weib-liche Gebärkraft, die eine ebenso technisierte Abwertung des Lebens – und der Liebe – bewirkt. Nichts könnte dies überzeugender belegen als die Fatwa (Rechtsmeinung) des renommierten TV-Imam Yusuf al-Qaradhawi. Nach ihm dürfen die Frauen – abgesehen vom häuslichen Bereich – nur dann ihre Verhüllung ablegen, wenn sie sich und andere als „Märtyrerinnen“ in die Luft sprengen – eine potenzierte Version des Menschenopfers (s. o.), das jedes Leben tötet, sogar dasjenige, das selbst das eigene Leben gibt.

Somit wird die Bejahung des kollektiven Todes und eines „Märtyrertums“ verständ-lich, das die Macht entgrenzt und den Anderen opfert, um, wie es in der Tradition heißt, „dem Islam Leben zu geben“ und den Rachegott Allah in den vermeintlichen Erbarmer zu verwandeln. Wer solches in der Kirche nicht nur als „Frieden“, sondern auch als „denselben Gott“ vermarktet, nimmt nicht nur die Anarchie in Kauf, son-dern schließt an überwunden geglaubte Gewaltsysteme des Westens an. Die Musli-me indessen wissen um den dominant politischen Charakter ihrer „Religion“: Sie ziehen die Despotie der Anarchie vor und gestehen so das Problem ein, das der Islam mit der Freiheit des Glaubens und Begrenzung von Gewalt hat. Alexis de Tocqueville (gest. 1859) sprach es gelassen aus: „Der Despotismus kommt ohne Glauben aus, die Freiheit nicht.“

Noch verstehen sich die kirchlichen Islamnützlinge als „Dogmatiker der allein richti-gen Haltung“ (Ratzinger), die mit der schleichenden Aushöhlung der jüdisch-christlichen Zivilisation einen neuen Totalitarismus riskieren. Sie haben weder das nekrophile Verbrennungsdenken des Koran noch den Gegensatz zum Christentum verstanden: „Das Joch der Wahrheit ist leicht geworden, als die Wahrheit (Christus) kam, uns liebte und in der Liebe unsere Schuld verbrannte“ (Mt 11, 30). Und Bene-dikt fügt hinzu: „Erst wenn wir dies von innen her wissen und erfahren, werden wir frei, die Botschaft des Gewissens angstlos und freudig zu hören.“43

Anmerkungen

1) Malinski, Mon Ami Karol Wojtyla, 189.

2) Ebd., 33.

3) Wojtyla, Person und Tat, 154f.

4) Ebd., 166.

5) Ebd., 175ff.

6) Ebd., 184-189.

7) Dörmann, Der theologische Weg Johannes Pauls II., 95 Anm. 4.

8) Zilsel, Die Geniereligion, 23f.

9) Doc. Cath. 1852, Nr. 516.

10) Weihnachtsempfang für das Kardinalskollegium 22.12.2005.

11) Vgl. Deutsche Tagespost 22.6.1991.

12) Vgl. Palmsonntag-Homelie und Weihnachtsbotschaft 1980.

13) Welt am Sonntag 6.5.2000.

14) Dörmann, Der theologische Weg Johannes Pauls II. Bd. 1, 52-88; v. d. Ploeg, Wojty-la, Una Voce 4/91; Raddatz, Von Gott zu Allah?, 318f.

15) Malinski, Wer ist Karol Wojtyla?, 244.

16) Dörmann, Der theologische Weg 1, 53.

17) In dieser Reihenfolge vgl. Süddeutsche Zeitung, 3.4.05, FAZ, 3.4.05, ebd., 29.3.05.

18) Dörmann, Respondeo 8, 39.

19) Vgl. Die Welt vom 1.3.2006, wo man diese Fusion erst im Jahre 1989 ortet.

20) Arbeitshilfe Christen und Muslime in Deutschland 2003.

21) Audienz für die Teilnehmer an der Vollversammlung der Glaubenskongregation 10.02.2006.

22) Spadafora, Neue Theologie, 115.

23) Vgl. Raddatz, Von Allah zum Terror?, 306ff.

24) Ebd., 309.

25) Bat Yeor, Eurabia, 141.

26) Handwörterbuch des Islam, 216f.; vgl. Ohlig/Puin (Hrsg.), Die dunklen Anfänge, 126f.

27) Fregosi, Jihad, 229.

28) Vgl. Gabrieli, Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht, 131, 183.

29) Vgl Iyad Ibn Musa, Messenger of Allah, Granada 1991.

30) Peters, Jihad, 52.

31) Pryce-Jones, The Closed Circle, 29, 69f.; Nagel, Der Koran, 192f.

32) Ratzinger, Gott und die Welt, 377f.

33) RP-online 2.2.2006.

34) AGDF 23./25.9.2005.

35) Ratzinger, Werte, 118.

36) Vgl. Dörmann, Theologisches 11-12/2000.

37) Amerio, Iota Unum, 550 Anm. 8.

38) Seewald, Der deutsche Papst, 106.

39) Ratzinger, Gott und die Welt, 357.

40) Ratzinger, Glaube, Wahrheit, Toleranz, 120.

41) Ebd., 100.

42) Küng, Islam, 171ff.

43) Ratzinger, Werte, 122.

Dr. Hans-Peter Raddatz, Orientalist, Volkswirt und Systemanalytiker, ist Ko-Autor der „Encyclopedia of Islam“ und Autor zahlreicher Bücher über den Is-lam.

Der beitrag erschien in "Die neue Ordnung", www.die-neue-ordnung.de

GLAUBE

"Ich fühle mich voller Zorn"

Pfarrerin Julie Nicholson verlor ihre Tochter vor einem Jahr bei den Anschlägen in London. Danach gab sie ihren Beruf auf. Sie kann den Attentätern nicht vergeben, wie es die Bibel fordert

von Thomas Kielinger

Diese Reise unternehme ich schweren Herzens. Es ist nicht leicht, über den Schmerz die richtigen Worte zu finden. Erst recht nicht über den Schmerz einer Mutter, deren Tochter im Alter von 24 Jahren vor einem Jahr bei den Bombenanschlägen in London ihr Leben verlor. Schon das Wort "verlor" führt in die Irre. Jennifer (Jenny) Nicholson hat ihr Leben nicht "verloren" wie eine goldenes Armband oder eine Kreditkarte. Es wurde ihr geraubt, in der U-Bahn der Circle Line zwischen den Bahnhöfen Edgware Road und Paddington, um 8.56 Uhr am 7. Juli 2005, zusammen mit sechs weiteren Unschuldigen, die Mohammed Sidique Khan aus Leeds in Yorkshire, Anführer der vier Selbstmordattentäter an diesem Tag, mit sich in den Tod riß.

Geraubt wurde Jenny auch ihrer Familie - Vater Greg, den jüngeren Geschwistern Lizzie und Tom, den Großeltern und weiteren Verwandten. Und ihrer Mutter, Julie Nicholson. Eine bemerkenswerte Frau, tapfer, ehrlich. Jegliche Frömmelei von sich weisend sagt sie, eine geweihte Pastorin der anglikanischen Hochkirche: "Vergeben, dem Mörder? Das kann ich nicht. Wäre Vergebung das, was ich zu leisten hätte, um ins Himmelreich zu kommen, dann müßte ich sagen: Der Preis ist zu hoch, Danke. Meine Eintrittskarte gäbe ich lieber zurück. Ich spreche nicht davon, daß ich nicht mehr glauben kann. Aber zu vergeben ist mir unmöglich. Das muß ich einstweilen dem Herrgott überlassen."

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KATHOLISCHE KIRCHE

Papst erlaubt lateinische Messe wieder

Benedikt XVI. hat die alte Form des katholischen Gottesdienstes wieder zugelassen. Die tridentinische Messe in lateinischer Sprache kann künftig als "außerordentliche Form der Liturgie" gefeiert werden - wenn es Teile der Gemeinde wollen.

In der katholischen Kirche dürfen Gottesdienste künftig wieder öfter in der Kirchensprache Latein nach dem vorkonziliaren Ritus von 1962 gefeiert werden. Papst Benedikt XVI. erlaubte am Samstag den alten, von Johannes XXIII. erlassenen Ritus als "außerordentliche Form der Liturgie der Kirche". Zugleich bestätigte er in einem Apostolischen Schreiben den mit der Liturgiereform von 1970 erlassenen Ritus als die ordentliche Form der Messfeier. Die deutschen Bischöfe begrüßten das Anliegen des Papstes als Beitrag zur Versöhnung.

Bei der vorkonziliaren Feier und der Messfeier in der Form von 1970 handele es sich um zwei Anwendungsformen des einen römischen Ritus, unterstrich Benedikt XVI. in dem Motu Proprio, das nach den lateinischen Anfangsworten den Titel "Summorum pontificum" trägt. Es soll zum 14. September in Kraft treten.

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DEUTSCHLAND

Minarette vor leeren Kirchen

Das religiöse Leben in Deutschland vollzieht einen historischen Wandel. Kirchen werden geschlossen, neue Moscheen gebaut. Der Islam tritt endgültig aus seinem Hinterhofdasein heraus

Schwester Simone zögert. "Ja", sagt sie, sie könne schon einiges erzählen darüber, warum in ihrem Mannheimer Stadtteil Jungbusch die Moschee ausgerechnet neben der Kirche gebaut wurde, auch darüber, wie die Katholiken mit den Muslimen auskommen. Aber sie möchte auch nichts Falsches sagen.

Und so verharrt sie einen Augenblick sinnierend im Flur des alten Pfarrhauses, der demjenigen, der draußen in der heißen Mittagssonne um Einlaß bittet, fast so dunkel erscheint wie ihr Nonnengewand. "Na, dann kommen Sie mal rein", sagt sie schließlich. "Wir wollen es einmal probieren."

Das Thema ist zu brisant, um es auf die leichte Schulter zu nehmen. Immerhin geht es um das religiöse Leben in Deutschland, das in aller Stille einen historischen Wandel vollzieht. Und wer wüßte das besser als eine alte Ordensfrau. Während katholische und protestantische Kirchen schließen, weil die Zahl der Gläubigen abnimmt, werden vielerorts Moscheen gebaut.

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AMERIKANISCHE POLITIK

Gott entdeckt

Der Demokrat Barack Obama sucht für sich und die Partei nach neuen Wählern im evangelikalen Lager

von Uwe Schmitt

Washington - Wenn Politiker der amerikanischen Demokraten Zeugnis ablegen, wie nahe ihnen Gott ist, sind Wahlen meist nicht fern und der Heucheleiverdacht ebenso. Al Gores Leitsatz "Was würde Jesus tun?" verschreckte 2000 vielleicht mehr säkulare Stammwähler, als er Fromme in der Mitte gewann, und verkam zum Werbespot der Art "What would Jesus drive?". Gores Mitbewerber Joe Lieberman, ein orthodoxer Jude, rief in den Dankesworten für die Nominierung den Allmächtigen häufiger an als Abraham Lincoln in seiner zweiten Antrittsrede mitten im Bürgerkrieg. Über Bill Clintons Verhältnis zu Sünde und Kirche mag man schweigen. George W. Bush gewann aus der Wiedergeburt als Christ seine Zweifelsfreiheit. Seit Mittwoch dieser Woche jedoch ist der Alleinvertretungsanspruch der Republikaner in Glaubensdingen bedroht. Die Bedrohung heißt Barack Obama.

Der einzige Schwarze im Senat, 2004 nach einem sensationellen Auftritt auf John Kerrys Krönungsparteitag für den Staat Michigan gewählt und ein Traumkandidat für 2012, sprach in einer Rede vor liberalen Evangelikalen in der National City Christian Church zu Washington in der Diktion Martin Luther Kings. Er beschwor den Geist der Bergpredigt, er erinnerte daran, daß gläubige Amerikaner längst nicht nur zur Homo-Ehe und Abtreibung eine Haltung haben, sondern auch zum Umweltschutz, zu sozialer Gerechtigkeit und dem Krieg im Irak. Gottesfurcht muß eben nicht mehr bedeuten, den Republikanern den Vorzug zu geben und an Bushs Politik zu glauben. Demokraten müssen ihre Wähler nur abholen, wo sie stehen. Umfragen bestätigen es.

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